Metadaten

Künßberg, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 1. Abhandlung): Rechtssprachgeographie — Heidelberg, 1926

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.38921#0030
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
22

Frh. v. Künssberg:

Noch wichtiger aber wird die Rechtssprachgeographie sein für
die Erforschung ganzer Rechtsquellen; indem sie Wortschatz und
Mundart in genauester und augenfälligster Weise untersucht und
darstellt, erleichtert sie die Beantwortung von Fragen nach Her-
kunft und Verfasser, nach Zeit und Verwandtschaft ganz außer-
ordentlich. Eine dritte Reihe von Aufgaben ergibt sich aus der
Untersuchung der Territorialrechtssprachen, der Rechtssprach-
landschaften. Das Problem ist da besonders anziehend, wo die
Verhältnisse nicht ganz einfach liegen, sondern wo Mischungen und
Verwerfungen stattgefunden haben. Klare einheitliche Geltungs-
gebiete, größere abgerundete Rechtssprachlandschaften, sind natür-
lich nur in größeren Territorien möglich. Einer zerrissenen poli-
tischen Landkarte entspricht auch eine buntscheckige Rechts-
sprachkarte48. Vornehmlich verdient die Rechtssprache zerstreuter
Territorien Beachtung. Streugrafschaften, zerstückelte Territorien
begünstigen die Sprachmischung. Die Territorienbildung hält sich
aber ebensowenig an Sprachgrenzen wie die Rechtsübertragung.
Der preußische Staat machte vor Mundartgrenzen keinen Halt,
und der Sachsenspiegel überschritt das Gebiet seiner Heimat-
sprache.
Ein schlagendes Beispiel für Einheit der Rechtssprache bei
Spaltung der Mundart ist das Land Baden. Vor über 100 Jahren
ist es durch äußeren Anstoß aus Teilen verschiedener Mundart-
gebiete zusammengekommen. Es zerfällt heute noch sprachlich in
zwei Hauptteile. Die Rechtssprache aber ist, dank der einheit-
lichen Gesetzgebung, einheitlich im Ausdruck. Ja, infolge des
einheitlichen Beamtenkörpers neigt sie auch in der Aussprache zu
einer Annäherung. Die Rechtssprache ist auf diese Weise sozusagen
der Grundstock der badischen Sprache. Wenn man von einer
badischen Sprache reden kann, so einstweilen beinahe nur von
einer badischen Rechtssprache49. Sie verdient im Badischen Wörter-
buch eine Vorzugsstellung.

48 Vereinheitlichung der politischen Landkarte hat Vereinfachung der
Rechtssprache zur Folge. Vgl. Merk, Rechtsgeogr. (unten Anm. 541. S. 97f.
49 Über den „Vater der badischen Rechtssprache“, den verdienstvollen
Staatsmann Brauer vgl. Andreas, "Die Einführung des Code Napoleon in
Baden’ (ZRG. Germ. 44), S. 206f.; Lenel, Badens Rechtsverwaltung und
Rechtsverfassung unter Carl Friedrich 1738—1806 (1913), S. 147. Merk,
J. N. Fr. Brauer, ein Vorläufer des Sprachvereins (Ztschr. d. allg. deutschen
Sprachver. 27 [1912]), S. 341 ff.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften