Rechtssprachgeographie.
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Wie wichtig wäre eine Untersuchung der Rechtssprache der
Rheinpfalz! Die politische Zusammengehörigkeit des rechts- und
linksrheinischen Bayern bedingt nicht nur einen Sprachverkehr
und Rechtsverkehr zwischen Menschen verschiedener Mundart,
sondern sie bringt auch eine Vereinheitlichung der Rechtssprache
mit sich, bei der natürlich das Gewicht der Hauptstadt sehr spürbar
ist. Manche Rechtssätze gelten für ganz Bayern; manche Be-
stimmungen, die nur für die Pfalz getroffen werden, sind in München
abgefaßt, vielleicht von Nicht-Pfälzern, mit oder ohne Anlehnung
an analoge Verhältnisse im rechtsrheinischen Bayern.
Die sprachlichen Einflüsse des Landes Oldenburg auf das
Birkenfelder Ländchen werden wohl hauptsächlich der Rechts-
sprache angehören.
Für die vorderösterreichischen Länder zeigen die Rechts-
sprachkarten auch die sprachliche Verbindung mit Wien.
Das jahrhundertelang gemeinsame Schicksal der österreichi-
schen Alpenländer und die zentralisierende Regierung haben aus-
gleichend auf die Sprache gewirkt.
In der sprachlich und mundartlich zerklüfteten Schweiz sind
diese Fragen insofern schwieriger, aber auch interessanter, als die
Autonomie der Kantone sehr umfassend war und in vielen Punkten
es heute noch ist; dazu kommt noch eines: der Kampf zwischen
Mundart und Rechtssprache ist großenteils dadurch vermieden,
daß die Schriftsprache beinahe die Rolle einer zweiten Sprache
spielt, so daß hier ein Hauptteil der Rechtssprache einverleibt und
auf solche Art dem Zwiste mit der Mundart entzogen ist.
Bei den wortgeographischen Arbeiten wird immer wieder das
Problem der Rechtssprache des Reiches zu beachten sein, die
Sprache der Reichsgesetze, der Reichskanzlei, des Reichskammer-
gerichtes, des Reichstags usw. Für die kaiserliche Kanzlei besitzen
wir einige Vorarbeiten50; im übrigen gibt es kaum Ansätze.
Die Bedeutung des Reichskammergerichtes für die Sprach-
geschichte ist noch nicht untersucht. Das Hochdeutsche war das
Idioma camerale, und so wird nicht nur verlangt, daß die hollän-
50 Nordijk, Untersuchungen auf dem Gebiete der kaiserlichen Kanzlei-
sprache im 15. Jahrhundert (Diss. Amsterdam 1925); dazu Ehrismann,
Deutsche Literaturzeitung 1926, 279 ff. Gutjahr, Die Urkunden deutscher
Sprache in der Kanzlei Karls IV., 1. Der Kanzleistil KarlsIV. (1906). Dazu
Ehrismann, Gött. geh Anz. 1907, S. 905ff.
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Wie wichtig wäre eine Untersuchung der Rechtssprache der
Rheinpfalz! Die politische Zusammengehörigkeit des rechts- und
linksrheinischen Bayern bedingt nicht nur einen Sprachverkehr
und Rechtsverkehr zwischen Menschen verschiedener Mundart,
sondern sie bringt auch eine Vereinheitlichung der Rechtssprache
mit sich, bei der natürlich das Gewicht der Hauptstadt sehr spürbar
ist. Manche Rechtssätze gelten für ganz Bayern; manche Be-
stimmungen, die nur für die Pfalz getroffen werden, sind in München
abgefaßt, vielleicht von Nicht-Pfälzern, mit oder ohne Anlehnung
an analoge Verhältnisse im rechtsrheinischen Bayern.
Die sprachlichen Einflüsse des Landes Oldenburg auf das
Birkenfelder Ländchen werden wohl hauptsächlich der Rechts-
sprache angehören.
Für die vorderösterreichischen Länder zeigen die Rechts-
sprachkarten auch die sprachliche Verbindung mit Wien.
Das jahrhundertelang gemeinsame Schicksal der österreichi-
schen Alpenländer und die zentralisierende Regierung haben aus-
gleichend auf die Sprache gewirkt.
In der sprachlich und mundartlich zerklüfteten Schweiz sind
diese Fragen insofern schwieriger, aber auch interessanter, als die
Autonomie der Kantone sehr umfassend war und in vielen Punkten
es heute noch ist; dazu kommt noch eines: der Kampf zwischen
Mundart und Rechtssprache ist großenteils dadurch vermieden,
daß die Schriftsprache beinahe die Rolle einer zweiten Sprache
spielt, so daß hier ein Hauptteil der Rechtssprache einverleibt und
auf solche Art dem Zwiste mit der Mundart entzogen ist.
Bei den wortgeographischen Arbeiten wird immer wieder das
Problem der Rechtssprache des Reiches zu beachten sein, die
Sprache der Reichsgesetze, der Reichskanzlei, des Reichskammer-
gerichtes, des Reichstags usw. Für die kaiserliche Kanzlei besitzen
wir einige Vorarbeiten50; im übrigen gibt es kaum Ansätze.
Die Bedeutung des Reichskammergerichtes für die Sprach-
geschichte ist noch nicht untersucht. Das Hochdeutsche war das
Idioma camerale, und so wird nicht nur verlangt, daß die hollän-
50 Nordijk, Untersuchungen auf dem Gebiete der kaiserlichen Kanzlei-
sprache im 15. Jahrhundert (Diss. Amsterdam 1925); dazu Ehrismann,
Deutsche Literaturzeitung 1926, 279 ff. Gutjahr, Die Urkunden deutscher
Sprache in der Kanzlei Karls IV., 1. Der Kanzleistil KarlsIV. (1906). Dazu
Ehrismann, Gött. geh Anz. 1907, S. 905ff.