Die drei Streitfragen am Grabmal Theoderichs.
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von St. Gereon in Köln überein, die Abmessungen sind etwa
halb so groß. Es ist ferner wahrscheinlich nicht nach einheit-
lichem Plan und in einem Zuge erbaut, sondern in mehreren,
mindestens zwei Bauabschnitten. Dadurch erklären sich die
Ungleichheiten beider Geschosse im Grund- und Aufriß. Es
beginnt im unteren Teile mit spätrömischen Formen, zeigt im
zehneckigen Obergeschosse Ähnlichkeiten mit syrischen (z. B.
Profile auf Gehrung geschnitten) und endigt in einzigartiger
Weise im zylindrischen Oberteile in Formen, die man allgemein
als solche der Völkerwanderungszeit, im besonderen als germanisch-
gotisch gebildete bezeichnen kann. Ganz besonders wird der von
Theoderich selbst gesuchte riesige Kuppelstein — bei dem er viel-
leicht an die Hünengräber seiner nordischen Vorfahren denken
mochte — als germanisch und in seiner Art einzig bezeichnet
werden können.
Theoderich war zu Byzanz in antiker Bildung erzogen. Als
König der Ostgoten und Patricius des oströmischen Kaisers hatte
er das weströmische Italien beherrscht in einer langen, an Erfolgen
reichen friedlichen Regierung. Wenngleich tatsächlich unbe-
schränkter Imperator, hatte er doch stets die vorgeschriebenen
Formen eines vom oströmischen Kaiser Beauftragten korrekt inne-
gehalten1 und sich in seinen Kulturbestrebungen stets voll von Be-
wunderung und Nachahmungseifer für das altrömische Staatswesen
und seine Kultur gezeigt. Hatte er in Anpassung hieran doch selbst
den Gedanken des alten germanischen Königtums romanisiert2.
Es hat aber durchaus den Anschein, als wenn er sich gegen
Ende seines Lebens seiner Abstammung als Germane wieder in
stärkerem Maße bewußt geworden ist. Sein wachsendes Mißtrauen
gegen die politisch unsicher werdenden Römer, seine Reizbarkeit
und Härte gegen Boethius und Symmachus, sein Streit mit dem
Papst Johannes, seine Bemühungen um Unabhängigkeit seiner Ost-
goten und Einigkeit mit den Westgoten und anderen germani-
schen Bruderstämmen3 — lassen auf eine solche Gemütsstim-
mung in den letzten Jahren vor seinem Tode schließen. Wie
1 Siehe hierüber u. a. meine Studie ,,Die Unterschrift Theoderichs des
Großen“ in „Denkmalpflege und Heimatschutz“, 1925, Heft 4—6.
2 Siehe Dahn, III, S. 254.
3 Diese pangermanischen Bestrebungen Theoderichs, durch wichtige ver-
wandtschaftliche Bande vorbereitet, stützten sich nicht zum wenigsten auf den
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von St. Gereon in Köln überein, die Abmessungen sind etwa
halb so groß. Es ist ferner wahrscheinlich nicht nach einheit-
lichem Plan und in einem Zuge erbaut, sondern in mehreren,
mindestens zwei Bauabschnitten. Dadurch erklären sich die
Ungleichheiten beider Geschosse im Grund- und Aufriß. Es
beginnt im unteren Teile mit spätrömischen Formen, zeigt im
zehneckigen Obergeschosse Ähnlichkeiten mit syrischen (z. B.
Profile auf Gehrung geschnitten) und endigt in einzigartiger
Weise im zylindrischen Oberteile in Formen, die man allgemein
als solche der Völkerwanderungszeit, im besonderen als germanisch-
gotisch gebildete bezeichnen kann. Ganz besonders wird der von
Theoderich selbst gesuchte riesige Kuppelstein — bei dem er viel-
leicht an die Hünengräber seiner nordischen Vorfahren denken
mochte — als germanisch und in seiner Art einzig bezeichnet
werden können.
Theoderich war zu Byzanz in antiker Bildung erzogen. Als
König der Ostgoten und Patricius des oströmischen Kaisers hatte
er das weströmische Italien beherrscht in einer langen, an Erfolgen
reichen friedlichen Regierung. Wenngleich tatsächlich unbe-
schränkter Imperator, hatte er doch stets die vorgeschriebenen
Formen eines vom oströmischen Kaiser Beauftragten korrekt inne-
gehalten1 und sich in seinen Kulturbestrebungen stets voll von Be-
wunderung und Nachahmungseifer für das altrömische Staatswesen
und seine Kultur gezeigt. Hatte er in Anpassung hieran doch selbst
den Gedanken des alten germanischen Königtums romanisiert2.
Es hat aber durchaus den Anschein, als wenn er sich gegen
Ende seines Lebens seiner Abstammung als Germane wieder in
stärkerem Maße bewußt geworden ist. Sein wachsendes Mißtrauen
gegen die politisch unsicher werdenden Römer, seine Reizbarkeit
und Härte gegen Boethius und Symmachus, sein Streit mit dem
Papst Johannes, seine Bemühungen um Unabhängigkeit seiner Ost-
goten und Einigkeit mit den Westgoten und anderen germani-
schen Bruderstämmen3 — lassen auf eine solche Gemütsstim-
mung in den letzten Jahren vor seinem Tode schließen. Wie
1 Siehe hierüber u. a. meine Studie ,,Die Unterschrift Theoderichs des
Großen“ in „Denkmalpflege und Heimatschutz“, 1925, Heft 4—6.
2 Siehe Dahn, III, S. 254.
3 Diese pangermanischen Bestrebungen Theoderichs, durch wichtige ver-
wandtschaftliche Bande vorbereitet, stützten sich nicht zum wenigsten auf den