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Vorrede.

Selbstverständlich sollen die Gedanken, die hier vorhegen,
soweit in sich abgeschlossen sein, daß sie für sich verständlich sind.
Aber es ist gut, wenn man beim Lesen immer daran denkt, daß
sie einem größeren Zusammenhang entstammen, und daher manche
Frage nur bis zu einem bestimmten Punkt verfolgt werden konnte,
so daß die sachlich geforderte weitere Erörterung abgebrochen
werden mußte. In der endgültigen Darstellung will ich das, was
ich hier als Lehre von den ,,Denkformen“ im Unterschied von den
„Erkenntnisformen“ behandle, und was man „formale Logik“ zu
nennen pflegt, als allgemeine Denklehre darstellen, und darauf eine
allgemeine Erkenntnislehre oder „transzendentale Logik“ folgen
lassen, die es mit den Problemen des gegenständlichen Denkens
oder des Erkennens der Welt zu tun hat. Denken und Erkennen
sind scharf zu scheiden. Erst an die zwei allgemeinen Teile der
theoretischen Philosophie als Wahrheitslehre kann sich dann die
besondere Erkenntnistheorie als Wissenschaftslehre anschließen.
Die Theorie vom Erkennen der Welt oder die „transzendentale
Logik“ läßt sich aber von dem, was ich Ontologie, d. h. Lehre vom
Sein der Welt nenne, nicht loslösen.
Damit ist die Stellung des vorliegenden kleinen Teils meiner
Philosophie zu dem größeren Ganzen, dem er zugehört, wenigstens
angedeutet. Der Zusammenhang ist wesentlich, weil ich in allem
Philosophieren, das nicht zum Ganzen, d. h. zum System strebt,
nur eine Zerfalls- und Verfallserscheinung im eigentlichen Sinne
des Wortes erblicken kann. Mit Gedankenfragmenten kommt man
dem Sein der „Welt“ nicht näher. Ist die Welt das Ganze des
Seienden, dann muß auch das Denken über dies Ganze versuchen,
alle seine Teile wenigstens zu einem Ganzen zusammenzuschließen,
und ein solches Erkenntnis-Ganzes nennt man ein „System“. Die
Ausreden, die von philosophisch unproduktiven oder antiphiloso-
phischen Köpfen ersonnen worden sind, um die schlichte Wahrheit,
daß die Wissenschaft vom Weltganzen ein Gedankenganzes sein
muß, zu verschleiern, haben mit Wissenschaft nichts zu tun, mögen
sie auch noch so „geistreich“ und noch so „zeitgemäß“ sein.
Sodann ein paar Bemerkungen über die Stellung der vor-
liegenden Ausführungen zu dem, was in meinen früheren Büchern
über Erkennen und Sein der Welt steht.
Die Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung, (1896
bis 1902, 5. Aufl. 1929) kommen dabei nur insofern in Betracht,
 
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