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Erster logischer Teil.

I.
Psychischer Urteilsakt, sprachlicher Satz
und logischer Sinn.
Daß die Logik die Wahrheit des Denkens und des Erkennens
zum Problem zu machen und dabei nach dem Wesen des Wahren
überhaupt zu fragen hat, ist wohl niemals bestritten worden. Worin
aber besteht das Gebilde, das im eigentlichen Sinne des Wortes
„wahr“ genannt werden kann, und dessen Erkenntnis wir daher in
der Logik anstreben müssen, um eine Einsicht in das Wesen der
Wahrheit und ihrer Erkenntnis überhaupt zu erhalten ? Diese
Frage nach ihrem „Gegenstand“ wird die Logik voranstellen:
welche Gebilde sind wahr oder enthalten Erkenntnis, und wie
werden sie uns so zugänglich, daß wir zu einer Einsicht in das Wesen
der Wahrheit oder des wahren „Sinnes“ überhaupt kommen?
Die Antwort, die man schon früh darauf gab, und die immer
von neuem wieder gegeben wird, geht dahin, daß „wahr“ Urteile
sind, die wir vollziehen, und daß nur sie wahr sein können. Bloße
„Vorstellungen“, sagt man dann, sind für sich noch nicht wahr,
enthalten also auch noch keine Erkenntnis, ja sie sind noch nicht
einmal falsch, sondern theoretisch völlig indifferent. Das führte in
neuerer Zeit, z. B. bei Sigwart, im Gegensatz zur Tradition dazu,
in der Logik das Urteil voranzustellen und die Lehre vom „Begriff“
erst im Anschluß daran zu behandeln. Die allgemeine Logik wurde
so in der Hauptsache zur Lehre vom Urteil.
Werden auch wir uns an das Urteil halten, um die Frage nach
dem Wesen der Wahrheit und des wahren Erkenntnissinnes zu
beantworten ?
Zweifellos sind auf diesem Wege wertvolle Einsichten zustande
gekommen, und gewiß wird auch die Urteilslehre immer ein wich-
tiger Bestandteil der Logik oder der Erkenntnistheorie bleiben.
Sogar, wenn es richtig wäre, wie man schon früher1 und kürzlich
1 So z. B. Fries, Neue oder anthropologische Kritik der Vernunft, 1807,
2. Aufl. 1828, Bd. I, S. 340.
 
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