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Erster logischer Teil.

Wir können uns dabei, um das recht deutlich zu machen, auf
Shakespeares Julia berufen, die als Tochter Capulets zu Romeo
sagt: (wir geben eine längere Reihe von Versen, damit über ihren
Sinn im Zusammenhang kein Zweifel möglich ist):
Dein Nam’ nur ist mein Feind, Du bliebst Du selbst,
Und wärst Du auch kein Montague. Was ist
Denn Montague? Es ist nicht Hand, nicht Fuß,
Nicht Arm noch Antlitz, noch ein anderer Teil,
Der Menschen eignet. O, so heiße anders!
Was ist ein Name? Was uns Rose heißt,
Wie es auch hieße, würde lieblich duften.
So Romeo, wenn er auch anders hieße,
Er würde doch das Köstliche bewahren,
Das einmal sein ist, ohne solches Wort.
Falls es erlaubt ist, die unsterblichen Worte des Dichters in der
gänzlich poesielosen Logik zu verwenden und sogar zu variieren,
dürfen auch wir sagen: „Was ist ein Name ? Was uns Mond heißt,
wie es auch hieße, würde wirklich sein.“ An dem Erkenntnisgehalt
ändert die Bezeichnung des Gegenstandes mit dem Wort „Mond“
nichts. Es kommt damit keine wahre Prädizierung zum Ausdruck,
die gegenständliche Erkenntnis gibt, und nur solche Prädikationen
haben hier für uns Bedeutung.
Wir können dasselbe auch so sagen: in dem Satz „etwas ist
der Mond“, hat das Wort „ist“ dieselbe Bedeutung, wie das Wort
„dicitur“ in den früher als Beispiel benutzten Definitionen Spi-
nozas. Allerdings kann ein Satz, der lautet: „dies ist der Mond“
auch einen wahren Erkenntnisgehalt haben, wenn nämlich damit
etwa der Verwechslung mit der Sonne vorgebeugt wird. Aber eine
solche Aussage kommt hier garnicht in Betracht. Der Satz „der
Mond ist wirklich“ läßt sich, ohne daß man seinen Erkenntnissinn
damit ändert, auch so formulieren, daß man sagt: „das, was wir
Mond nennen, ist wirklich“, und dann wird sofort deutlich, wie
das Subjektswort „Mond“ in dem Satz „der Mond ist wirklich“
nicht die Bedeutung einer logisch selbständigen Prädizierung mit
gegenständlich wahrem Erkenntnisgehalt besitzt, sondern lediglich
dazu dient, dem Objekt, über das etwas ausgesagt wird, und das
daher im Satz als grammatisches „Subjekt“ auftritt, einen Namen
zu geben.
Dann aber ist zugleich klar, daß der zweite von den als Beispie-
len gewählten Sätzen: „der Mond ist wirklich“ auch logisch nur ein
Subjekt und nur ein Prädikat hat, die er durch die Bedeutung des
 
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