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Erster logischer Teil.
einander verschieden sein. Sonst wäre es nicht zu rechtfertigen,
daß wir dem einen Gebilde das Prädikat „schön“, dem anderen
das Prädikat „wahr“ beilegen, und vollends nicht, daß wir in dem
einen eine Schönheit von besonderer Art, in dem andern eine Wahr-
heit von besonderer Art finden.
Die Versuche, die man machen könnte, die inhaltlichen Dif-
ferenzen der zwei Sinngebilde trotzdem auf sinnliche Unterschiede
ihrer körperlichen „Träger“ zurückzuführen, wollen wir hier nicht
kritisieren. Wir stellen lediglich die Frage: wie kommt man zu
der Ansicht, daß zwei unsinnlich verstellbare Sinngebilde nicht auch
im Inhalt unsinnliche Verschiedenheiten zeigen sollen? Allein
das Dogma des hyletischen Sensualismus steht der unbefangenen
Prüfung und wahren Einsicht im Wege. Wir sollten vorurteilslos
nicht nur bei dem, was wir wahrnehmen, sondern auch bei dem
was wir verstehen, das unmittelbar Gegebene in seiner Inhaltlich-
keit „sehen“ oder „schauen“ lernen. Dann werden wir auch ein-
sehen, daß die Behauptung, aller Inhalt der unmittelbar gegebenen
diesseitigen Welt sei sinnlich, und dementsprechend sei alles Un-
sinnliche im Diesseits bloße Form, grundfalsch ist. Es gibt viel-
mehr eine Fülle von unsinnlichen Inhalten, die wir unmittelbar
„erleben“, sobald wir nur die Aufmerksamkeit auf sie lenken, und
daraus wird dann klar, daß der Sinn des Satzes „etwas ist (unsinn-
lich) geltend“, sobald er aus dieser Fülle heraus im besonderen
irgendwie inhaltlich bestimmt ist, nicht nur mit Rücksicht auf den
Unterschied von Subjekt und Prädikat, sondern auch mit Rück-
sicht auf den Unterschied von Inhalt und Form dieselbe Struktur
zeigen muß wie der Sinn des Satzes: „etwas ist (sinnlich) wirklich“.
An die Stelle des „etwas“ kann in dem Sinngebilde des Satzes
„etwas ist (unsinnlich) geltend“ zwar wieder gewiß nicht jeder
beliebige Inhalt treten, aber eine unübersehbare Mannigfaltigkeit
der verschiedenen Inhalte, nämlich alle unsinnlich verstehbaren,
wie z. B. alle Inhalte wahrer Sätze, und ihnen gegenüber ist dann
„gelten“ die gemeinsame, identische Form, welche jeder dieser
Inhalte bekommt, ohne daß sich dadurch an seiner inhaltlichen
Verschiedenheit von andern unsinnlichen Inhalten das geringste
ändert.
Dies mag genügen, um zu rechtfertigen, daß wir die zwei
logischen Minima „etwas ist (unsinnlich) geltend“ und „etwas ist
(sinnlich) wirklich“, die für uns vor allem in Betracht kommen,
damit wir später von ihnen zum allgemeinsten Minimum des
Erster logischer Teil.
einander verschieden sein. Sonst wäre es nicht zu rechtfertigen,
daß wir dem einen Gebilde das Prädikat „schön“, dem anderen
das Prädikat „wahr“ beilegen, und vollends nicht, daß wir in dem
einen eine Schönheit von besonderer Art, in dem andern eine Wahr-
heit von besonderer Art finden.
Die Versuche, die man machen könnte, die inhaltlichen Dif-
ferenzen der zwei Sinngebilde trotzdem auf sinnliche Unterschiede
ihrer körperlichen „Träger“ zurückzuführen, wollen wir hier nicht
kritisieren. Wir stellen lediglich die Frage: wie kommt man zu
der Ansicht, daß zwei unsinnlich verstellbare Sinngebilde nicht auch
im Inhalt unsinnliche Verschiedenheiten zeigen sollen? Allein
das Dogma des hyletischen Sensualismus steht der unbefangenen
Prüfung und wahren Einsicht im Wege. Wir sollten vorurteilslos
nicht nur bei dem, was wir wahrnehmen, sondern auch bei dem
was wir verstehen, das unmittelbar Gegebene in seiner Inhaltlich-
keit „sehen“ oder „schauen“ lernen. Dann werden wir auch ein-
sehen, daß die Behauptung, aller Inhalt der unmittelbar gegebenen
diesseitigen Welt sei sinnlich, und dementsprechend sei alles Un-
sinnliche im Diesseits bloße Form, grundfalsch ist. Es gibt viel-
mehr eine Fülle von unsinnlichen Inhalten, die wir unmittelbar
„erleben“, sobald wir nur die Aufmerksamkeit auf sie lenken, und
daraus wird dann klar, daß der Sinn des Satzes „etwas ist (unsinn-
lich) geltend“, sobald er aus dieser Fülle heraus im besonderen
irgendwie inhaltlich bestimmt ist, nicht nur mit Rücksicht auf den
Unterschied von Subjekt und Prädikat, sondern auch mit Rück-
sicht auf den Unterschied von Inhalt und Form dieselbe Struktur
zeigen muß wie der Sinn des Satzes: „etwas ist (sinnlich) wirklich“.
An die Stelle des „etwas“ kann in dem Sinngebilde des Satzes
„etwas ist (unsinnlich) geltend“ zwar wieder gewiß nicht jeder
beliebige Inhalt treten, aber eine unübersehbare Mannigfaltigkeit
der verschiedenen Inhalte, nämlich alle unsinnlich verstehbaren,
wie z. B. alle Inhalte wahrer Sätze, und ihnen gegenüber ist dann
„gelten“ die gemeinsame, identische Form, welche jeder dieser
Inhalte bekommt, ohne daß sich dadurch an seiner inhaltlichen
Verschiedenheit von andern unsinnlichen Inhalten das geringste
ändert.
Dies mag genügen, um zu rechtfertigen, daß wir die zwei
logischen Minima „etwas ist (unsinnlich) geltend“ und „etwas ist
(sinnlich) wirklich“, die für uns vor allem in Betracht kommen,
damit wir später von ihnen zum allgemeinsten Minimum des