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Zweiter ontologischer Teil.

Gegenständliche Wahrheiten, die diesen dreifach formulier-
baren Dualismus oder diese Heterologie von Subjekt und Prädikat,
Inhalt und Form, Anschauung und Begriff nicht zeigen, sind in
theoretisch oder logisch verständlichen Sätzen nicht als Wahr-
heiten zum Ausdruck zu bringen. Nur inhaltliche oder nur for-
male und ebenso nur anschauliche oder nur begriffliche Wahr-
heiten über etwas, das durch sie erkannt wird, kommen in
wissenschaftlichen Werken nicht vor und sind als logische oder
theoretische Wahrheiten über Gegenstände auch sonst nicht denk-
bar. Bloße Anschauungen sind, logisch betrachtet, noch „nichts-
sagend“, also nicht einmal falsch.
Wenn jemand daher eine Aussage über sinnlich reales Sein
oder unsinnlich irreales Gelten macht, die mit dem Anspruch auf-
tritt, Wahrheit über einen Gegenstand zu geben, und dann trotz-
dem in der Logik intuitionistische Tendenzen vertritt, d. h. die
Notwendigkeit eines unanschaulichen Prädikats für den Bestand
der Erkenntnis bestreitet, leugnet er damit eine der Voraussetzun-
gen, die er implicite selber macht, und die gelten müssen, falls
seine eigene Theorie wahr sein soll. Er widerspricht sich also selbst.
Das wäre an jedem Satz, der gegenständliche Erkenntnis über
sinnlich Beales oder unsinnlich Geltendes aussagt, leicht zu zeigen.
Insbesondere der Begriff der „prädikatlosen Wahrheit“ als der
einer Erkenntnis, die etwas über etwas behauptet, ergibt, in seine
Konsequenzen entwickelt, eine contradictio in adjecto. Auf diese
Einsicht als Basis ist auch die Logik des Prädikats „Sein“ zu stellen,
zu der wir jetzt übergehen.
Die Frage liegt nun nahe, ob wir unser Ergebnis, zu dem wir
durch längere Überlegungen gekommen sind, nicht auch auf einem
kürzeren Wege hätten finden und zugleich sowohl einfacher als
auch allgemeiner hätten formulieren können. Wir brauchten, wird
man denken, von vorneherein nur den Begriff, der schon am Schluß
des vorigen Abschnittes sich einstellte, und auf dessen Klärung
diese Ausführungen alle hinstreben, zu verwenden: den Begriff
des „Seins überhaupt“. Dann wäre der Vorbehalt, den wir in
bezug auf Mathematik und Metaphysik machen mußten, und die
Einschränkung auf die Erkenntnis sinnlich realer und unsinnlich
geltender Gegenstände nicht nötig gewesen. Ist unser Verfahren
also nicht komplizierter und umständlicher und dabei unvoll-
ständiger, als die Sache es fordert ? Konnten wir über „das Sein“
als Prädikat nicht schneller Klarheit gewinnen ?
 
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