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YI. Sein als Erkenntnisprädikat, als Denkprädikat u. als Gopula. 133

ein Prädikat hat, durchaus zutreffend zum Ausdruck, und inso-
fern können wir auch sehr wohl sagen, ihr Sinn müsse unausge-
sprochen in jedem Sinn vorhanden sein, der ein von a inhaltlich
verschiedenes Prädikat b dem a beilegt. Kurz: a muß primär als
seiend prädiziert sein, um inhaltlich oder secundär b sein zu kön-
nen. Das ist keine Tautologie.
Hiermit ist der angegebene Einwand gegen unsere allgemeinste
Formel „etwas ist seiend“ zurückgewiesen. Wir dürfen dabei
bleiben, sie als den allgemeinsten Ausdruck für das einfachste
wahre Sinngebilde zu betrachten, und dementsprechend haben wir
dann „Sein“ als das allgemeinste Urprädikat zu bezeichnen. Dann
aber scheint weiter zu folgen: es gilt von dem Prädikat „seiend“
alles, was wir bei den besonderen Beispielen von „sinnlich wirk-
lich“ oder „unsinnlich geltend“, oder „ideal existierend“ oder
„übersinnlich wirklich“ behaupten konnten, und nur der Unter-
schied besteht, daß das Prädikat „seiend“ der Ausdruck für das
in all den verschiedenen Urprädikaten gemeinsame Prädikat ist.
In diesem Unterschiede kann man jedoch nur einen Vorzug der
allgemeinen Formel sehen und sagen, erst mit dem Prädikat „sein“
sind wir bei dem eigentlichen Urprädikat angelangt. Dagegen läßt
sich scheinbar nichts einwenden.
Damit über diesen Punkt keinerlei Unklarheit bestehen bleibt,
fügen wir endlich noch folgendes hinzu, bevor wir dazu übergehen,
zu zeigen, weshalb in diesen Ausführungen, trotz ihrer Konsequenz,
noch nicht das letzte Wort über das „Sein“ als Urprädikat ent-
halten ist.
Die Richtigkeit der soeben entwickelten Gedanken scheint
sich auch darin zu zeigen, daß wir zu jedem der besonderen Ur-
prädikate die Wortbedeutung „seiend“ hinzufügen können, ohne
damit logisch etwas daran zu ändern. Es scheint eben auf diese
Weise nur das gemeinsame Moment des Seins ausdrücklich mit
der Sprache herausgehoben und bezeichnet zu werden, das von
vorneherein in jedem der Urprädikate enthalten war. Ob ich sage,
„etwas ist wirklich“, oder „etwas ist wirklich seiend“, kommt auf
dasselbe hinaus, und etwas Analoges können wir bei den andern
Urprädikaten ebenfalls behaupten, obwohl hier der Zusatz „seiend“
vielleicht etwas gewaltsam klingt. Statt „etwas ist geltend“, darf
man sagen: „etwas ist geltend seiend“, oder statt „etwas ist über-
sinnlich wirklich“, auch „etwas ist übersinnlich wirklich seiend“.
Sogar der Satz „etwas ist ideal existierend seiend“ bleibt verständ-
 
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