YI. Sein als Erkenntnisprädikat, als Denkprädikat u. als Copula. 149
bereits für eine Erkenntnisform zu erklären, dann verläßt man
damit die Sphäre der Erkenntnistheorie und kommt zur „formalen“
Logik als einer bloßen Denklehre. Das Erkenntnisproblem aber,
das uns hier beschäftigt, „sieht“ man dann noch gar nicht, denn
dies Problem führt notwendig über die bloße Denklehre und damit
über die bloße Denkform des Prädikats „Sein“ hinaus.
Was die bisher gewonnenen Einsichten für die Probleme der
Ontologie und Metaphysik als für solche Wissenschaften bedeuten,
denen es um gegenständliche Erkenntnis, nicht um bloß „formale“
Wahrheiten des Denkens zu tun ist, fragen wir weiter erst in den
folgenden Abschnitten. Zunächst müssen wir uns noch über das
Wesen des Copula-Seins Klarheit verschaffen, auch um die Logik
des Seins als eines Prädikats zum Abschluß zu bringen.
In dieser Hinsicht haben wir bis jetzt nur gesehen, daß wir
das Copula-Sein, falls es in Wahrheit nur Copula zwischen Sub-
jekt und Prädikat ist, von allen besonderen Arten des Seins, die
als Erkenntnisformen auftreten, zu trennen haben, und wir werden
es davon auch leicht trennen können. Es läßt sich dem (sinnlich)
wirklich sein, dem (unsinnlich) geltend sein usw. nicht als eine
besondere Seinsart neben den andern koordinieren. Es ist all-
gemeiner als alle Erkenntnisformen und steht insofern „über“
ihnen.
Wie aber unterscheiden wir nun das Copula-Sein von dem
allgemeinsten Sein, dessen Begriff wir soeben als den einer bloßen
Denkform festgestellt haben? Wir sahen bereits, daß die Formel
„etwas ist seiend“ als unvollständig bezeichnet werden muß,
sobald sie auch nur das denkbar einfachste wahre Sinngebilde
über einen Gegenstand zum Ausdruck bringen, also Erkenntnis
geben soll. Kann man auch das, erkenntnistheoretisch betrachtet,
unvollständige allgemeinste Sein ebenso wie die Erkenntnisprädi-
kate von dem Copula-Sein unterscheiden, falls die Copula als
„ist“ auftritt ? Erst mit der Beantwortung dieser Frage werden
wir die Lehre von der logischen Struktur eines wahren Sinngebildes
auch mit Rücksicht auf die Copula, die Subjekt und Prädikat
sowohl trennt als auch verbindet, und zugleich mit Rücksicht auf
alle Seinsbegriffe, die in einem wahren Sinngebilde eine Rolle
spielen, zum Abschluß bringen.
Die Schwierigkeit, die bei der Trennung von allgemeinstem
Prädikat-Sein und Copula-Sein jetzt auftaucht, legt von vorne-
herein den Gedanken nahe: ist es vielleicht mehr als ein Zufall,
bereits für eine Erkenntnisform zu erklären, dann verläßt man
damit die Sphäre der Erkenntnistheorie und kommt zur „formalen“
Logik als einer bloßen Denklehre. Das Erkenntnisproblem aber,
das uns hier beschäftigt, „sieht“ man dann noch gar nicht, denn
dies Problem führt notwendig über die bloße Denklehre und damit
über die bloße Denkform des Prädikats „Sein“ hinaus.
Was die bisher gewonnenen Einsichten für die Probleme der
Ontologie und Metaphysik als für solche Wissenschaften bedeuten,
denen es um gegenständliche Erkenntnis, nicht um bloß „formale“
Wahrheiten des Denkens zu tun ist, fragen wir weiter erst in den
folgenden Abschnitten. Zunächst müssen wir uns noch über das
Wesen des Copula-Seins Klarheit verschaffen, auch um die Logik
des Seins als eines Prädikats zum Abschluß zu bringen.
In dieser Hinsicht haben wir bis jetzt nur gesehen, daß wir
das Copula-Sein, falls es in Wahrheit nur Copula zwischen Sub-
jekt und Prädikat ist, von allen besonderen Arten des Seins, die
als Erkenntnisformen auftreten, zu trennen haben, und wir werden
es davon auch leicht trennen können. Es läßt sich dem (sinnlich)
wirklich sein, dem (unsinnlich) geltend sein usw. nicht als eine
besondere Seinsart neben den andern koordinieren. Es ist all-
gemeiner als alle Erkenntnisformen und steht insofern „über“
ihnen.
Wie aber unterscheiden wir nun das Copula-Sein von dem
allgemeinsten Sein, dessen Begriff wir soeben als den einer bloßen
Denkform festgestellt haben? Wir sahen bereits, daß die Formel
„etwas ist seiend“ als unvollständig bezeichnet werden muß,
sobald sie auch nur das denkbar einfachste wahre Sinngebilde
über einen Gegenstand zum Ausdruck bringen, also Erkenntnis
geben soll. Kann man auch das, erkenntnistheoretisch betrachtet,
unvollständige allgemeinste Sein ebenso wie die Erkenntnisprädi-
kate von dem Copula-Sein unterscheiden, falls die Copula als
„ist“ auftritt ? Erst mit der Beantwortung dieser Frage werden
wir die Lehre von der logischen Struktur eines wahren Sinngebildes
auch mit Rücksicht auf die Copula, die Subjekt und Prädikat
sowohl trennt als auch verbindet, und zugleich mit Rücksicht auf
alle Seinsbegriffe, die in einem wahren Sinngebilde eine Rolle
spielen, zum Abschluß bringen.
Die Schwierigkeit, die bei der Trennung von allgemeinstem
Prädikat-Sein und Copula-Sein jetzt auftaucht, legt von vorne-
herein den Gedanken nahe: ist es vielleicht mehr als ein Zufall,