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Zweiter ontologischer Teil.

Soviel über Negation und Andersheit überhaupt in ihrer Be-
ziehung zueinander und in ihrem Unterschied voneinander. Doch
genügt dies Allgemeine für unsern Fall noch nicht. Es bedarf einer
weiteren Erörterung, wenn es sich nicht nur um Negation und
Andersheit überhaupt, sondern im besonderen um das Nichts als
die Negation des Sei ns einerseits und um das Andere des Seins oder
um das Andere der Welt andererseits handelt. Gerade das aber ist
in der Regel dort gemeint, wo man in der Philosophie vom „Nichts“
redet.
Wir wissen bereits, daß, wenn wir beim Nichts als dem Nicht-
Sein das allgemeinste „Sein“ als bloße Denkform im Auge haben,
das Nichts als „Etwas“ ein Widerspruch, also logisch sinnlos
ist, und wir können jetzt hinzufügen: auch das Andere des Seins
als bloßer Denkform, die das Nicht-Sein einschließt, gibt keinen
logischen Sinn als Subjekt eines Satzes, denn dies Andere müßte
in der allgemeinsten Bedeutung des Wortes ja auch „sein“, wäre
also kein Anderes des Seins überhaupt. Mit Rücksicht auf dies all-
gemeinste Sein kann es ein Anderes als Subjekt eines wahren
Satzes nicht geben. Zugleich aber dürfen wir hinzufügen, daß dies
allgemeinste Sein das einzige Sein ist, bei dem von einem Andern
sinnvoll zu reden nicht angeht. Alles, wovon wir sinnvoll reden
sollen, muß gewiß im allgemeinsten Sinne „sein“. Wir wissen aber
auch bereits, wie wenig dies Sein logisch bedeutet, und wir sehen
jetzt: es gibt von ihm nicht einmal ein Anderes. Das Andere fiele
hier mit dem Nicht-Sein zusammen, wäre also kein „Anderes“.
Versteht man dagegen unter „Sein“ das Sein in der Welt oder
das Sein der Welt, also nicht die bloße Denkform, sondern die
Erkenntnisform, oder genauer eine aus der Mehrheit der Erkennt-
nisformen, in die „das Sein“ sich bei seinem Bezug auf das Sein
der Welt spaltet, dann hat es einen guten Sinn, von dem Nichts
zugleich als dem Andern des Seins zu sprechen, also eine Alternative
vorauszusetzen, deren beide Glieder positiv sind. Anders ge-
sagt: wenn das „nicht-in-cler-Welt-sein“ eine positive Bedeutung
stand gedacht, bereits den Unterschied von der Position, also ein Anderes
voraussetzt, oder daß das Nichts in seinem Verhältnis zum Etwas nur ein
Spezialfall des Anderen in seinem Verhältnis zum Einen ist. Die Andersheit
geht der Negation logisch voran. Logisch noch Ursprünglicheres als die
Andersheit, die außer der Identität zum rein logischen Gegenstand gehört,
kann gar nicht gedacht werden“ (S. 20). Vgl. hierzu auch mein „System der
Philosophie“, 1. Teil: Allgemeine Grundlegung (1921), S. 56ff.
 
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