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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1931/32, 4. Abhandlung): Jungfrauensohn und Krippenkind: Untersuchungen zur Geburtsgeschichte Jesu im Lukas-Evangelium — Heidelberg, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.40162#0026
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26

Martin Dibelius:

voraus, daß man davon erzählt hat, und daß diese Erzählung miß-
deutet worden ist, so wie Josef selbst die Schwangerschaft der
Maria mißdeutet. Mt. 1, 18—25 ist also keine Legende, obwohl
legendäre Motive darin verwendet werden, sondern eine apolo-
getische Darstellung, die gegenüber der Lukas-Legende
sekundär ist.
Und diese Darstellung beruft sich ausdrücklich auf das Jesaias-
Wort von der Schwangerschaft der Jungfrau, Jes. 7, 14, während
die Lukas-Legende nur im Wortlaut daran erinnerte. Es läßt sich
bekanntlich nicht nachweisen, daß der Profet mit diesem Spruch
ein besonderes Wunder der Erzeugung andeuten wollte (auch wenn
der Spruch sich auf das messianische Kind beziehen sollte). Es läßt
sich auch nicht nachweisen, daß das rabbinische Judentum eine
Vorstellung von jungfräulicher Geburt in diesem oder einem anderen
Zusammenhang überliefert hat1. Es ist auch nicht sicher nachzu-
weisen, welche Gedanken den griechischen Übersetzer bei seiner
Wiedergabe des hebräischen ‘alma durch παρθένος geleitet haben.
Sicher ist nur, daß die Christen schon sehr bald (siehe Lukas und
Matthäus) das Profetenwort auf die jungfräuliche Geburt ihres
Herrn bezogen haben. Justin, der die übliche alttestamentliche
Beweisführung der Kirche im zweiten Jahrhundert am vollständig-
sten erhalten hat, läßt in der Apologie keinen Zweifel über das
christliche Verständnis von Jes. 7, 142. Im Dialog mit Tryphon
kehrt er immer wieder zu der Stelle zurück3. Dabei zeigt sich zu-
gleich, daß sein jüdischer Gegner von einer jungfräulichen Geburt
des Messias nichts weiß4 und von der Übersetzung der Jesaia-
Stelle bei den Septuaginta nichts wissen will5. Dieser Jude Tryphon
1 Daß die rabbinischen Stellen, an denen man eine solche Tradition
finden wollte, anders zu verstehen sind, hat Strack-Billerbeck, Kommentar
z. N. T. I 49f., dargetan.
2 Justin, Apologie I 33, 4 το ούν Ιδού ή παρθένος έν γαστρί εξει σημαίνει ού
συνουσιασθεΐσαν την παρθένον συλλαβεΐν· εί γάρ έσυνουσιάσθη ύπο ότουοΰν, ούκ ετι ήν
παρθένος· άλλα δύναμις θεοΰ έπελθοΰσα τη παρθένον έπεσκίασεν αύτήν, καί κυοφορ-
ησαι παρθένον ούσαν πεποίηκε.
3 Justin, Dialogus 43, 5—8; (Anspielung 48, 1); 66, 2; 67, 1; 68, 6;
71, 3; 77, 2. 3; 84, 1. 3.
4 Dialogus 49, 1 sagt Tryphon von den Juden και γάρ πάντες ήαεϊς του
Χρίστον άνθρωπον έξ ανθρώπων προσδοκώμεν γενήσεσθαι.
5 Tryphon tritt für die (auch von Aquila, Symmachus und Theodotion
gebotene) Übersetzung νεανις statt παρθένος ein, Dialogus 67, 1; 71, 3, und
Justin muß die Septuaginta im allgemeinen gegen den Vorwurf der Juden
in Schutz nehmen, daß ihre Übersetzung unrichtig sei (Dial. 68, 7 τήν έξήγησιυ
 
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