Jungfrauensohn und Krippenkind.
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ist aus Palästina geflüchtet; die Lehrer, die er zitiert, gelten als
die Nachfolger der „Pharisäer und Schriftgelehrten“ der Evan-
gelien* 1; er vertritt also das Judentum Palästinas. Hier ist für
unser Thema nichts zu holen.
Wenn von einer Vorgeschichte der christlichen Vorstellung die
Rede sein soll, so muß zunächst das hellenistische Judentum
befragt werden. Die Stilisierung der Lukas-Legende ■— ύψιστος und
πνεύμα άγιον — weist in diese Richtung; die Interpretation des
Alten Testamentes, die Justin und Matthäus vertreten, hat dort
ihren Ursprung; die Septuaginta selbst mit ihrer Übersetzung
παρθένος sind immerhin aus der Zeugenreihe für die Vorstellung
nicht mit Gewißheit auszuschließen. Die christliche Vorstellung
aber ist zunächst nicht die von einer Vermählung der Maria mit
Gott, bei der diese Regnadigung wichtiger wäre als die Geburt des
Kindes; denn nirgends im Neuen Testament wird ein solcher Vor-
gang berichtet. Sondern es handelt sich primär um die wunder-
bare Erzeugung des heiligen Kindes im Leib der Maria,
sekundär um die Bewahrung ihres Magdtums, das „von
keinem Manne weiß“.
IV.
Wunderhafte Erzeugungen von berühmten Söhnen berühmter
Mütter kennt auch der jüdische Midrasch. Begreiflicherweise ist es
vor allem Sara, das Weib Abrahams, die Neunzigjährige, deren
späte Mutterschaft schon von der Bibel und erst recht von dem
paraphrasierenden Midrasch als paradoxes Wunder hingestellt wird.
Um dies zu betonen, hat man Gottes Urheberschaft hervorgehoben.
Anlaß dazu gab der Bibeltext selbst in Gen. 21, 1: Jahve erfüllt
an Sara was er verheißen. Bereits der alte und wohl vorchrist-
liche Kommentar der sog. „kleinen Genesis“ (des Buches der Jubi-
läen) gibt das wieder mit „Gott suchte die Sara heim (oder 'schaute
an’) .... und sie wurde schwanger und gebar“; man könnte also
den Eindruck haben, als sei hier von Abraham überhaupt nicht
die Rede. Doch stammt die aethiopische Version, in der uns das
Buch der Jubiläen erhalten ist, aus einer griechischen Übersetzung
. . . . μή είναι εν τίσιν άλη-Β-ή). Er gibt den jüdischen Lehrern einen ähnlichen
Vorwurf zurück Dial. 71, 1. 2.
1 Nachweise bei von Harnack, Judentum und Judenchristentum in
Justins Dialog mit Trypho 53. 56.
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ist aus Palästina geflüchtet; die Lehrer, die er zitiert, gelten als
die Nachfolger der „Pharisäer und Schriftgelehrten“ der Evan-
gelien* 1; er vertritt also das Judentum Palästinas. Hier ist für
unser Thema nichts zu holen.
Wenn von einer Vorgeschichte der christlichen Vorstellung die
Rede sein soll, so muß zunächst das hellenistische Judentum
befragt werden. Die Stilisierung der Lukas-Legende ■— ύψιστος und
πνεύμα άγιον — weist in diese Richtung; die Interpretation des
Alten Testamentes, die Justin und Matthäus vertreten, hat dort
ihren Ursprung; die Septuaginta selbst mit ihrer Übersetzung
παρθένος sind immerhin aus der Zeugenreihe für die Vorstellung
nicht mit Gewißheit auszuschließen. Die christliche Vorstellung
aber ist zunächst nicht die von einer Vermählung der Maria mit
Gott, bei der diese Regnadigung wichtiger wäre als die Geburt des
Kindes; denn nirgends im Neuen Testament wird ein solcher Vor-
gang berichtet. Sondern es handelt sich primär um die wunder-
bare Erzeugung des heiligen Kindes im Leib der Maria,
sekundär um die Bewahrung ihres Magdtums, das „von
keinem Manne weiß“.
IV.
Wunderhafte Erzeugungen von berühmten Söhnen berühmter
Mütter kennt auch der jüdische Midrasch. Begreiflicherweise ist es
vor allem Sara, das Weib Abrahams, die Neunzigjährige, deren
späte Mutterschaft schon von der Bibel und erst recht von dem
paraphrasierenden Midrasch als paradoxes Wunder hingestellt wird.
Um dies zu betonen, hat man Gottes Urheberschaft hervorgehoben.
Anlaß dazu gab der Bibeltext selbst in Gen. 21, 1: Jahve erfüllt
an Sara was er verheißen. Bereits der alte und wohl vorchrist-
liche Kommentar der sog. „kleinen Genesis“ (des Buches der Jubi-
läen) gibt das wieder mit „Gott suchte die Sara heim (oder 'schaute
an’) .... und sie wurde schwanger und gebar“; man könnte also
den Eindruck haben, als sei hier von Abraham überhaupt nicht
die Rede. Doch stammt die aethiopische Version, in der uns das
Buch der Jubiläen erhalten ist, aus einer griechischen Übersetzung
. . . . μή είναι εν τίσιν άλη-Β-ή). Er gibt den jüdischen Lehrern einen ähnlichen
Vorwurf zurück Dial. 71, 1. 2.
1 Nachweise bei von Harnack, Judentum und Judenchristentum in
Justins Dialog mit Trypho 53. 56.