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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1931/32, 4. Abhandlung): Jungfrauensohn und Krippenkind: Untersuchungen zur Geburtsgeschichte Jesu im Lukas-Evangelium — Heidelberg, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.40162#0029
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Jungfrauensohn und Krippenkind.

■29

erst recht nicht mit der allegorischen Exegese Philos in engere Ver-
bindung zu bringen. Sie deutet, wie die Philos, allgemein über-
geschichtlich oder auch allegorisch; aber diese Deutung entstammt
nicht der Voraussetzung, daß jene erzählten geschichtlichen Vor-
gänge eigentlich die Geschehnisse in der Menschenseele zur Dar-
stellung bringen, oder daß die Personen zeitlose Typen des Mensch-
seins repräsentieren. Die Bibeldeutung des Paulus ist vielmehr
eschatologisch bedingt: die Ereignisse der alttestamentlichen Ge-
schichte sind Vorformen (τύποι.) der messianischen Endereignisse,
und so sind sie aufgeschrieben zur Belehrung und Ermahnung des
Geschlechts, „über das die Vollendung der Zeiten hereingebrochen
ist1“. Das treibende Motiv dieser Exegese ist also ein christliches;
die ihr zugrundeliegende Technik, den Bibeltext τυπικώς auszu-
werten, ist die des hellenistischen Judentums. Diese Exegese, die
allein uns hier interessiert, konnte man ebensogut wie in Alexandria
auch in der Synagoge von Tarsus lernen, aber gewiß auch in den
hellenistischen Synagogen von Jerusalem (Acta apost. 6, 9).
Bei Paulus findet sich nun eine solche Exegese, in der die Vor-
stellung einer wunderhaften Erzeugung auffällig ausgeprägt er-
scheint. Es ist Galater 4, 21—-31 die Rede von dem ebenbürtigen
Abrahams-Sohn, Isaak, und dem unebenbürtigen Sohn des Patriar-
chen von seiner Magd Hagar, Ismael. Dieser wird dem Sinaibund und
dem irdischen Jerusalem gleichgesetzt, Isaak aber der neuen Ord-
nung der Dinge und dem oberen Jerusalem. Dabei wird Gal. 4, 23
gesagt, daß der Sohn der Magd auf natürliche Weise („nach dem
Fleisch“2) erzeugt (oder: geboren) ist, der Sohn der Freien aber
kraft der Verheißung. Die Kennzeichnung Isaaks, die wir als
Gegensatz zu der „natürlichen“ Geburt Ismaels erwarten müssen,
erfolgt Gal. 4, 29: „aber wie damals der natürlich Erzeugte (oder:
Geborene) den geistlich Erzeugten (wörtlich: den nach dem
Geist verfolgte, so geschieht es auch jetzt3“. Hier soll zweifellos
das Wunderbare an der Erzeugung4 Isaaks betont und auf Gott

1 I. Kor. 10, 11: ταΰτα δέ τυπικώς συνέβαινεν έκείνοις, έγράφη δέ προς νουθε-
σίαν ήμών, εις οΰς τά τέλη των αιώνων κατήντηκεν. I. Kor. 10. 7: ταΰτα δέ τύποι
ημών έγενήθησαν. Röm. 4, 23 . . . . άλλα (έγράφη) και δι’ ήμας.
2 Gal. 4, 23: άλλ5 ό μέν έκ της παιδίσκης κατά σάρκα γεγέννηται, ό δέ έκ
τής έλευθέρας διά τής έπαγγελίας.
3 Gal. 4. 29: άλλ5 ώσπερ τότε 6 κατά σάρκα γεννηθείς έδίωκεν τον κατά
πνεύμα, ούτως καί νυν.
4 Es kommt hier wenig darauf an, ob man γεννάσθαι in den beiden
fraglichen Versen mit „erzeugt werden“ oder mit „geboren werden“ über-
 
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