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Martin Dibelius:
von dem Engel als Erzeuger: 'istam gravidam non fecit nisi angelus
dei sagen die Begleiterinnen der Maria zu dem bestürzten Josef.
Und es bedeutet endlich eine Entmythisierung und Verkirchlichung
der ganzen Vorstellung, wenn vom 4. Jahrhundert an in der Kirche
die conceptio per aurem gelehrt wird1. Aber auch diese Lehre wäre
nicht entstanden, wenn man nicht unter dem Einfluß der geschil-
derten „mythischen“ Tendenz den Vorgang der Zeugung in die
Verkündigungsszene hineinverlegt hätte. Das ist dann offenbar in
weitem Umkreis der Fall gewesen2.
Die Geschichte der ganzen Vorstellung beginnt also mit der
hellenistisch-jüdischen Idee von der Zeugung κατά πνεύμα, sie zeigt
in der Lukaslegende bereits den Einfluß des ursprünglich synkreti-
stischen Motivs von der jungfräulichen Mutter, und wird dann vom
Synkretismus her auf mancherlei Weise bereichert durch die Ein-
beziehung des irdischen Vaters und der Geburt in die Legende, vor
allem aber durch die Verlegung der Zeugung in die Verkündigungs-
szene. Sie gewinnt schließlich eine neue und weniger synkretistische
Fassung in der conceptio per aurem.
Die Art der Lukas-Geschichte ist damit freilich verkannt. Es
galt dort, im Rahmen einer Messias-Ankündigung das unsagbare
Geheimnis der göttlichen Zeugung zu umschreiben, für Wissende,
die es verstanden, und Glaubende, die es nicht mißdeuteten. Die
keusche Schönheit der Legende ist schon gefährdet, wenn sich wie
in Mt. 1 Apologetik gegen das Mißverstehen der vaterlosen Erzeu-
gung wenden muß; sie ist zerstört, wenn Dogmatik das Wann und
Wie der göttlichen Zeugung festsetzen will. Das Theologumenon,
das den Kern der Legende bildete, wird dann zum Mythologumenon
und zieht in solcher Gestalt wesensverwandte mythische Motive an
sich. Die kirchliche Theologie kann dann nichts weiter tun als allzu
Mythologisches abzuwehren; sie hält so die Geister des Synkretis-
mus in Schranken, denen sie selbst erst das Tor geöffnet hat.
1 Diese Lehre ist offenbar veranlaßt durch die Auffassung Christi als
des Logos und ist also wahrscheinlich älter; s. W. Bauer, Leben Jesu im Zeit-
alter der Apokryphen 53, A. 2. Weiteres bei Bardenhewer, Mariä Verkündi-
gung 166 ff.
2 Origenes Homil. in Luc. XIV (V 137 Lommatzsch) sieht den Vorgang
in dem Wort Lk. 1, 35. Ps. Athanasius εις τον εύαγγελισμόν τής ύπεραγίας Αεοτόκου
(II 338a Bened.) behauptet, daß die -θεία του υίοΰ ύπόστασις in die Jung-
frau eingegangen sei, nachdem ihr Ohr durch die Stimme des Engels geöffnet
war (ώς προδιανοιχθείσης τής άκοής τής παρΑένου διά τής άρχαγγελικής φωνής).
Martin Dibelius:
von dem Engel als Erzeuger: 'istam gravidam non fecit nisi angelus
dei sagen die Begleiterinnen der Maria zu dem bestürzten Josef.
Und es bedeutet endlich eine Entmythisierung und Verkirchlichung
der ganzen Vorstellung, wenn vom 4. Jahrhundert an in der Kirche
die conceptio per aurem gelehrt wird1. Aber auch diese Lehre wäre
nicht entstanden, wenn man nicht unter dem Einfluß der geschil-
derten „mythischen“ Tendenz den Vorgang der Zeugung in die
Verkündigungsszene hineinverlegt hätte. Das ist dann offenbar in
weitem Umkreis der Fall gewesen2.
Die Geschichte der ganzen Vorstellung beginnt also mit der
hellenistisch-jüdischen Idee von der Zeugung κατά πνεύμα, sie zeigt
in der Lukaslegende bereits den Einfluß des ursprünglich synkreti-
stischen Motivs von der jungfräulichen Mutter, und wird dann vom
Synkretismus her auf mancherlei Weise bereichert durch die Ein-
beziehung des irdischen Vaters und der Geburt in die Legende, vor
allem aber durch die Verlegung der Zeugung in die Verkündigungs-
szene. Sie gewinnt schließlich eine neue und weniger synkretistische
Fassung in der conceptio per aurem.
Die Art der Lukas-Geschichte ist damit freilich verkannt. Es
galt dort, im Rahmen einer Messias-Ankündigung das unsagbare
Geheimnis der göttlichen Zeugung zu umschreiben, für Wissende,
die es verstanden, und Glaubende, die es nicht mißdeuteten. Die
keusche Schönheit der Legende ist schon gefährdet, wenn sich wie
in Mt. 1 Apologetik gegen das Mißverstehen der vaterlosen Erzeu-
gung wenden muß; sie ist zerstört, wenn Dogmatik das Wann und
Wie der göttlichen Zeugung festsetzen will. Das Theologumenon,
das den Kern der Legende bildete, wird dann zum Mythologumenon
und zieht in solcher Gestalt wesensverwandte mythische Motive an
sich. Die kirchliche Theologie kann dann nichts weiter tun als allzu
Mythologisches abzuwehren; sie hält so die Geister des Synkretis-
mus in Schranken, denen sie selbst erst das Tor geöffnet hat.
1 Diese Lehre ist offenbar veranlaßt durch die Auffassung Christi als
des Logos und ist also wahrscheinlich älter; s. W. Bauer, Leben Jesu im Zeit-
alter der Apokryphen 53, A. 2. Weiteres bei Bardenhewer, Mariä Verkündi-
gung 166 ff.
2 Origenes Homil. in Luc. XIV (V 137 Lommatzsch) sieht den Vorgang
in dem Wort Lk. 1, 35. Ps. Athanasius εις τον εύαγγελισμόν τής ύπεραγίας Αεοτόκου
(II 338a Bened.) behauptet, daß die -θεία του υίοΰ ύπόστασις in die Jung-
frau eingegangen sei, nachdem ihr Ohr durch die Stimme des Engels geöffnet
war (ώς προδιανοιχθείσης τής άκοής τής παρΑένου διά τής άρχαγγελικής φωνής).