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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1931/32, 4. Abhandlung): Jungfrauensohn und Krippenkind: Untersuchungen zur Geburtsgeschichte Jesu im Lukas-Evangelium — Heidelberg, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.40162#0061
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Jungfrauensohn und Krippenkind.

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eilig und fanden Maria und Josef“. Das hier gebrauchte Wort ανευ-
ρίσκω kann zwar das Suchen einschließen; aber wenn langes Umher-
fragen nötig gewesen wäre, würde das gesagt und die Erwähnung
der Eile unterblieben sein. Es scheint also ein direkter Weg von
den Hirten zur Krippe zu führen; es scheint ein Zusammenhang
vorzuliegen, den wir spüren, wenn wir die Krippe als ein ,Pasto-
rales“ Requisit in der Geschichte empfinden: Hirten und Krippe
gehören zusammen1; es ist die Krippe der eignen Herden, in
der die Hirten — sehr begreiflicherweise — zuerst suchen und so-
gleich finden. Dann aber muß ursprünglich erzählt worden sein,
wie Josef und Maria gerade in dies κατάλυμα geraten sind. Und
man würde diese Forderung schließlich wohl auch in dem Fall
anmelden, daß die Hirten nicht die Besitzer der Krippe wären.
Eine Angabe über die Unterkunft hat also wahrscheinlich in der
Erzählung gestanden; sie ist durch die Einfügung des Zensus-
Berichtes zugedeckt worden. Ein für die Fortsetzung wichtiges
Einleitungsmotiv ist also weggefallen, und das Einleitungsmotiv,
das statt dessen einen Platz in der Geschichte erhielt, der Bericht
von dem Zensus, findet keine Fortsetzung.
Mit alledem sind schon einige für die Analyse wichtige Fest-
stellungen gemacht. Die Erzählung berichtet von der wunderbaren
Verkündung der eben geschehenen Heilandsgeburt an die Hirten;
sie gehört also zu jenen Personal legend en, die durch himmlische
Botschaft die Bedeutung des Helden schon bei seiner Geburt pro-
klamieren lassen. Was vorhergeht, ist im Blick auf die Haupt-
szene erzählt: das Zeichen, von dem der Engel spricht, soll vor-
bereitet werden. Es muß also etwas Außergewöhnliches sein, das
mit dem Kinde geschieht; sonst wäre es kein Zeichen. Das Außer-
gewöhnliche ist natürlich nicht die sorgfältige Behandlung des Neu-
geborenen (έσπαργάνωσεν αύτόν), die diesem Kinde wie anderen zu-
teil wird; sondern die Lagerstatt, die diesem Kinde im Gegensatz
zu anderen gegeben wird: die Krippe. Man braucht nicht zu er-
wägen, ob nicht einmal auch ein anderes Kind in eine Krippe gelegt
werden könnte2, denn das Zeichen braucht nur auffallend und ein-
1 Das hat im Anschluß an Eichhorn auch Gressmann, Weihnachts-
evangelium 15 betont; nur hat er durch Einfügung des Höhlen-Motivs, das
gar nicht hierher gehört (s. unten), und durch allerlei rationalistische Erwä-
gungen die Lösung kompliziert und unwahrscheinlich gemacht.
2 Diese rationalistische Erwägung bei Gressmann, Weihnachts-Evan-
gelium 14 ist schon von Carl Cremen, Religionsgeschichtl. Erklärung des
N. T.2 206, abgewiesen worden.
 
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