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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1931/32, 4. Abhandlung): Jungfrauensohn und Krippenkind: Untersuchungen zur Geburtsgeschichte Jesu im Lukas-Evangelium — Heidelberg, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.40162#0068
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68

Martin Dibelius:

tische Überlieferungen zu verweisen. Die beiden Angaben des
Plutarch, De Iside et Osiride 12 (p. 355e), über die Geburt des
Osiris, die nur kurze Referate, nicht aber Sagen darstellen1, können
freilich höchstens als Analogie zitiert werden für die himmlische
Verkündigung der Gehurt, kaum, daß sie eingetreten ist. „Am
ersten (der άπαγόμεναι genannten Tage) sei Osiris gehören worden
und zugleich mit seiner Geburt sei eine Stimme herabgefahren: der
Herr des Alls tritt hervor ins Licht“. Hier ist von den Umständen
der Geburt überhaupt nichts mitgeteilt. Die andere Angabe bringt
Einzelheiten, ohne sie zum Bilde zusammenzufügen. „Einige aber
sagen, ein gewisser Pamyles in Theben habe beim Wasserschöpfen
eine Stimme aus dem Tempel des Zeus vernommen, die ihm befahl
laut auszurufen: 'Der große König und Wohltäter Osiris ist ge-
boren’. Er habe den Osiris infolgedessen aufgezogen, da er ihm
von Kronos übergeben war, und deshalb werde ihm zu Ehren das
Fest der Pamylien gefeiert, das unseren Phallephorien gleiche“. In
diesem Referat ist die Hauptsache nicht erzählt, nämlich wie Pa-
myles zu dem Kinde kommt. Darum fehlen, abgesehen von der
himmlischen Stimme, alle wesentlichen Motivverwandtschaften
zwischen dem Plutarchtext und der weihnachtlichen Hirtenlegende2.
Besseren Aufschluß hat man lange Zeit von einer anderen Ana-
logie erwartet, der Hirtenszene auf den Mithras-Denkmälern.
Franz Cumont hat bei ihrer Erklärung von einer „Anbetung der

1 Die religionsgeschichtliche Vergleichung wird in diesem wie in anderen
Fällen dadurch erschwert, daß wir die eine Überlieferung bloß in Gestalt eines
literarischen Referats kennen, das sicher nur einen Auszug wiedergibt, viel-
leicht sogar die Akzente falsch setzt. Plutarch sagt selbst De Is. et Osir. 12,
355 d, er wolle den Mythus wiedergeben έν βραχυτάτοις und των άρρήστων σφοδρά
και περιττών άφαιρε-9-έντων. Wir sind also gar nicht in der Lage, den Ablauf
des mythischen Geschehens wirklich zu verfolgen.
2 Gressmann, Weihnachts-Evangelium 23f., versucht die These zu
beweisen, daß die Osirislegende mit der von ihm vermuteten älteren Form
der Jesuslegende identisch sei. Er gelangt dazu mit Hilfe folgender Kon-
struktionen: 1. Die Verkündigung an die Hirten und die Angabe des Zeichens
sei nur zu verstehen, wenn es sich eigentlich um ein elternloses (d. h. von den
Göttern gezeugtes) Findelkind handele — diese These habe ich bereits als
dem Wesen der Erzählung widersprechend bezeichnet. 2. Pamyles bei Plu-
tarch werde plötzlich des Kindes gewahr und zweifle nun nicht, daß ihm das
Kind von Kronos anvertraut sei. — Dabei hat Gressmann den Bericht des
Plutarch έγχειρίσαντος αύτω του Κρόνου zugunsten des Motivs vom Findel-
kind umgebogen und somit eine Gleichung hergestellt, in der beide Seiten
auf Konstruktion beruhen.
 
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