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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1931/32, 4. Abhandlung): Jungfrauensohn und Krippenkind: Untersuchungen zur Geburtsgeschichte Jesu im Lukas-Evangelium — Heidelberg, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.40162#0075
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Jungfrauensohn und Krippenkind.

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ses1. Nun kommt hier die Erinnerung azi den Hirten David hinzu, den
Erwählten Gottes aus Bethlehem, den Ahnherrn des Messias2. Und
endlich harmonieren die beiden „pastoralen“ Motive, die Krippe
und die Hirten, in einer solchen Weise, daß eines das andere zu
bedingen scheint. So ist es kein Wunder, daß der Erzähler Hirten
auftreten ließ — und es bedarf vielleicht gar nicht einmal einer
bestimmten Analogie, um diesen Zug verständlich zu machen. Das
gilt erst recht dann, wenn wir uns diesen Erzähler nicht in Palä-
stina, also unbeeinflußt von den jüdischen Urteilen über die Hirten,
zu denken haben.

In der Tat haben wir keinen Anlaß, die Weihnachtsgeschichte
in Palästina entstanden zu denken. Die besondere Tönung der
Engelsbotschaft weist nicht auf ein semitisches Original, sondern
auf hellenistische Gedankenwelt (vgl. S. 63f.); und wenn der Lob-
gesang semitisch gedacht ist, so ist das mit seiner Herkunft aus
der Synagoge, vielleicht der palästinensischen Synagoge, zu er-
klären. Auf hellenistischem Böden ist jedenfalls das Ganze der
Erzählung entstanden; in dieser Umwelt trug der Erzähler kein
Bedenken, Hirten zu Hörern und Trägern der Weihnachtsbotschaft
zu machen — und das um so weniger, als die Erzählung auf den
Feldern spielte, da David der Hirt, seine Herde weidete.
Wenn die Hirten die ersten Hörer, Zeugen und Künder des
Weihnachts-Evangeliums sind, dann ist ihre Bolle in der Legende
wohl motiviert. Ihr Haus, ihre Krippe birgt den neugeborenen
Heiland; sie, die ihn beherbergen, sollen wissen und künden, wer
er ist. Der Schluß der Erzählung bringt nichts als den Dank der
Hirten für ,,alles was sie zu hören und so, wie es ihnen verkündet
war, zu sehen bekommen hatten“.
Gerade dieser so gar nicht ins Weite strebende, so völlig im
umschränkten Dasein der Hirten verharrende Schluß macht noch
einmal die Besonderheit und den Zauber der Legende deutlich. Der
1 Bezeichnend für diese Schätzung der Hirten ist die Darstellung der
Hirtenlegende in den christlichen Sibyllinenversen; ihr fiktiv heidnisches
Pathos verweilt mit sichtlicher Liebe bei den „gottgehorsamen“ Hirten: σπεψο>
•9-έν δέ βρέφος δείχ·9·η -θ-εοπειθέσι φάτνγ) | βουπελάταις τε και αΐγονόμοις καί
ποιμέσιν άρνών (Orac. Sibyllina VIII 4771'.).
2 Auf die Möglichkeit, daß eine jüdische Tradition mitspielt, die den
Messias mit dem Herdenturm bei Bethlehem verband, ist bereits hinge-
wiesen worden (S. 67, Anm. 2j, vgl. über den Turm (Migdal Eder) Dal-
mAii,' Orte und Wege Jesu3 53f.
 
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