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Honecker, Martin; Johannes; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1937/38, 2. Abhandlung): Nikolaus von Cues und die griechische Sprache — Heidelberg, 1938

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https://doi.org/10.11588/diglit.41994#0064
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56

Martin Honecker:

nötig sei. Allein dieser Einwand gegen unsere These ist nicht über-
zeugend. Denn erstens war zur Auffindung jener Rasur ein Durch-
lesen des ganzen Textes nicht unbedingt nötig, da eine Rasur von
der Größe der Wendung (καί) έκ (oder διά) του υίοΰ selbst von
einem Sprachunkundigen beim bloßen Durchblättern festgestellt
werden konnte. Daß aber ferner die Entzifferung des ausradierten
Textes dem Gusaner allein schon gelungen sei, sagt der Rrief-
schreiber gar nicht; es ist leicht möglich, daß einer der genannten
Zeugen dabei mitgewirkt hat: entweder Ambrogio Traversari,
ein ausgezeichneter Kenner des Griechischen, oder Giuliano Cesa-
rini, der vorher ja in Rasel Griechisch gelernt hatte, oder schließ-
lich gar der Grieche Ressarion, der ebenfalls im Zusammenhang
mit dieser Hs. genannt wird. Und wenn schließlich Cusanus die
getilgten 3—4 Wörter doch selbst entziffert haben sollte, so wird
man diese Leistung nicht so hoch anschlagen dürfen, daß daraus
weitgehende Schlüsse auf die Sprachkenntnis des Cusaners gezogen
werden könnten155.
Ein weiterer Einwand könnte daraus entnommen werden, daß,
wie Vansteenberghe unlängst festgestellt hat, Nikolaus von Cues
schon in frühen Jahren Auszüge aus Platons Timaios (wohl nach
Chalcidius) sowie aus der Platonischen Theologie des Proklos und
aus dessen Kommentar zu Platons Parmenides angefertigt hat156.
Allein für griechische Sprachkenntnisse können diese Exzerpte nur
dann zeugen, wenn sie unmittelbar an Hand von griechischen Tex-
ten zustande gekommen sind. Das ist jedoch nicht der Fall. Denn
nach Ermittlung von R. Klibansky fußen jene Auszüge auf latei-
nischen Übersetzungen157.
Ebensowenig kann man schließlich die weitgehende Vertraut-
heit des Nicolaus Cusanus mit der griechischen Literatur der Antike
und des Christentums gegen unser Resultat ins Feld führen. Denn
deren Grund legte Cusanus in einem nie ermüdenden Studium latei-
nischer Übersetzungen, von denen er eine große Zahl in Resitz
155 Als weitere Iiss.-Fälschungen, die von griechischer Seite im Hinblick
auf das Filioque unternommen wurden, seien erwähnt: 1. ein Fälschungs-
versuch, der kurz vor den Unionsverhandlungen zu Lyon (1274) vorgekom-
men war (Hef ele-Leclercq 18 VI, 1914, 215); 2. ein Versuch, der auf dem
Florentiner Konzil am 7. III. 1439 geschah (ebd. IS VII2 990, Anm. 1), 3. zwei
Fälschungen, die Bessarion später aufdeckte (Möhler 82 I 207; vgl. 211).
156 E. Vansteenberghe, Quelques lectures de jermesse de Nicolas de
Cues d’apres un manuscrit inconnu de sa bibliotheque. Archives d’histoire
doctrinale et litteraire du moyen-äge III, 1928, 282ff.
167 Klibansky 21 26, Anm. 2.
 
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