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Martin Dibelius:
Bibelübersetzung fast fremd1, originalgriechischen Texten aber
durchaus vertraut2. Und zwar gerade in dem uns bekannten Zu-
sammenhang. Das Daimonion stellt zu hoch, als daß es meiner
θεραπεία bedürfte, heißt es in dem berühmten Kapitel von Xeno-
phons Memorabilien, das den teleologischen Gottesbeweis enthält3.
Die Frömmigkeit, so lehrt Plato4, ist freilich eine θεραπεία θεών;
dies darf aber ja nicht so aufgefaßt werden, als ob sie den Göttern
Nutzen bringe oder sie besser mache. Und Philo hat den Ge-
danken in deutlichem Anschluß an Plato verwendet und ausdrück-
lich wie Xenophon auf die Bedürfnislosigkeit Gottes gegründet5.
Auch in der Areopagrede mündet die Beweisführung dieser Motiv-
gruppe echt griechisch in die Feststellung der Bedürfnislosig-
keit Gottes.
Zu den bezeichnendsten Zügen des Gottesbegriffs, den die
griechische Philosophie ausgebildet hat und der dann vom helle-
nistischen Judentum wie von der altkirchlichen Theologie über-
nommen worden ist, gehört die Forderung des θεοπρεπές6: es darf
nichts von Gott ausgesagt werden, was seiner nicht würdig ist.
Daher rührt die Scheu vor jeder Vermenschlichung Gottes und die
1 Auch hier ist eigentlich nur ein original-griechischer Text zu nennen:
Ep. Jeremiae 25. 38 (Pflege von Götzenbildern); Judith 11, 17 (ή δούλη σου
θεοσεβής έστιν καί θεραπεύουσα νυκτός καί ημέρας τον θεόν του ούρανου) und
vollends Jes. 54, 17 (έ'στιν κληρονομιά τοΐς θεραπεύουσιν κύριον) ist das Wort
nicht kultisch (im engeren Sinn) gebraucht.
2 Vgl. Beyer im Tlieol. Wörteibuch III, 128ff. Über den gleichen Ge-
danken bei Senec.a vgl. unten S. 32.
3 Xenophon, Memorabilia I, 410 ουτοι . . . ύπερορώ τό δαιμόνιον, άλλ5 εκείνο
μεγαλοπρεπέστερον ήγοΰμαι ή ώς τής έμής θεραπείας προσδεΐσθαι.
4 Euthyphro 13a—d.
5 Quod deterius pot. insid. soleat 55 την δέ ευσέβειαν θεοΰ θεραπείαν
ύπάρχουσαν ού θέμις ποριστικήν είπεΐν των ώφελησόντων τό θειον ωφελείται γάρ
ύπ’ ούδενός, άτε μήτε ενδεές ον μήτε τίνος τό έν άπασιν αύτοΰ κρεΐττον πεφυκότος
όνήσαι, τουναντίον δέ τά σύμπαντα συνεχώς καί άπαύστως ωφελεί. Von der Be-
dürfnislosigkeit Gottes ist auch schon vorher, § 54, die Rede.
6 Das hellenistische Judentum hat sich diese Forderung völlig zu eigen
gemacht. Zahlreiche Stellen bei Philo zeigen, wie gegenwärtig sie ihm ist;
er beruft sich dabei gelegentlich auf Num. 23, 19 ούχ ώς άνθρωπος ό θεός
(De sacrif. Abelis et Caini 94 mit dem Zusatz ϊνα πάντα τά άνθρωπολογούμενα
ύπερκύψωμεν, Quod Deus sit immut. 53) und mahnt άφελεΐς οΰν, ώ ψυχή, παν
γενητόν θνητόν μεταβλητόν βέβηλον από έννοιας τής περί θεοΰ τοΰ άγενήτου καί
άφθαρτου καί άτρέπτου καί αγίου καί μόνου μακαρίου (De sacr. 101). Aber
auch Josephus Ant. VIII 107 sagt, daß Salomo bei der Tempelweihe έποιήσατο
λόγους προς τον θεόν, ους τή θεία φύσει πρέποντας ύπελάμβανε.
Martin Dibelius:
Bibelübersetzung fast fremd1, originalgriechischen Texten aber
durchaus vertraut2. Und zwar gerade in dem uns bekannten Zu-
sammenhang. Das Daimonion stellt zu hoch, als daß es meiner
θεραπεία bedürfte, heißt es in dem berühmten Kapitel von Xeno-
phons Memorabilien, das den teleologischen Gottesbeweis enthält3.
Die Frömmigkeit, so lehrt Plato4, ist freilich eine θεραπεία θεών;
dies darf aber ja nicht so aufgefaßt werden, als ob sie den Göttern
Nutzen bringe oder sie besser mache. Und Philo hat den Ge-
danken in deutlichem Anschluß an Plato verwendet und ausdrück-
lich wie Xenophon auf die Bedürfnislosigkeit Gottes gegründet5.
Auch in der Areopagrede mündet die Beweisführung dieser Motiv-
gruppe echt griechisch in die Feststellung der Bedürfnislosig-
keit Gottes.
Zu den bezeichnendsten Zügen des Gottesbegriffs, den die
griechische Philosophie ausgebildet hat und der dann vom helle-
nistischen Judentum wie von der altkirchlichen Theologie über-
nommen worden ist, gehört die Forderung des θεοπρεπές6: es darf
nichts von Gott ausgesagt werden, was seiner nicht würdig ist.
Daher rührt die Scheu vor jeder Vermenschlichung Gottes und die
1 Auch hier ist eigentlich nur ein original-griechischer Text zu nennen:
Ep. Jeremiae 25. 38 (Pflege von Götzenbildern); Judith 11, 17 (ή δούλη σου
θεοσεβής έστιν καί θεραπεύουσα νυκτός καί ημέρας τον θεόν του ούρανου) und
vollends Jes. 54, 17 (έ'στιν κληρονομιά τοΐς θεραπεύουσιν κύριον) ist das Wort
nicht kultisch (im engeren Sinn) gebraucht.
2 Vgl. Beyer im Tlieol. Wörteibuch III, 128ff. Über den gleichen Ge-
danken bei Senec.a vgl. unten S. 32.
3 Xenophon, Memorabilia I, 410 ουτοι . . . ύπερορώ τό δαιμόνιον, άλλ5 εκείνο
μεγαλοπρεπέστερον ήγοΰμαι ή ώς τής έμής θεραπείας προσδεΐσθαι.
4 Euthyphro 13a—d.
5 Quod deterius pot. insid. soleat 55 την δέ ευσέβειαν θεοΰ θεραπείαν
ύπάρχουσαν ού θέμις ποριστικήν είπεΐν των ώφελησόντων τό θειον ωφελείται γάρ
ύπ’ ούδενός, άτε μήτε ενδεές ον μήτε τίνος τό έν άπασιν αύτοΰ κρεΐττον πεφυκότος
όνήσαι, τουναντίον δέ τά σύμπαντα συνεχώς καί άπαύστως ωφελεί. Von der Be-
dürfnislosigkeit Gottes ist auch schon vorher, § 54, die Rede.
6 Das hellenistische Judentum hat sich diese Forderung völlig zu eigen
gemacht. Zahlreiche Stellen bei Philo zeigen, wie gegenwärtig sie ihm ist;
er beruft sich dabei gelegentlich auf Num. 23, 19 ούχ ώς άνθρωπος ό θεός
(De sacrif. Abelis et Caini 94 mit dem Zusatz ϊνα πάντα τά άνθρωπολογούμενα
ύπερκύψωμεν, Quod Deus sit immut. 53) und mahnt άφελεΐς οΰν, ώ ψυχή, παν
γενητόν θνητόν μεταβλητόν βέβηλον από έννοιας τής περί θεοΰ τοΰ άγενήτου καί
άφθαρτου καί άτρέπτου καί αγίου καί μόνου μακαρίου (De sacr. 101). Aber
auch Josephus Ant. VIII 107 sagt, daß Salomo bei der Tempelweihe έποιήσατο
λόγους προς τον θεόν, ους τή θεία φύσει πρέποντας ύπελάμβανε.