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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 2. Abhandlung): Paulus auf dem Areopag — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.41997#0025
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Paulus auf dem Areopag.

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gruppe: die Gottverwandtschaft des Menschen. Und hier-
für ist das Material in der Diskussion der letzten 25 Jahre bereits
soweit gesammelt, daß der rein hellenistische Charakter dieser
Gruppe klar zutage liegt. Gott ist nicht fern von uns — die Li-
totes bedeutet natürlich: er ist sehr nah, jedem von uns, kraft
seiner Natur, ohne Rücksicht auf das Handeln des Menschen* 1.
Denn in ihm haben wir Leben, heißt es weiter, und es kann keine
Rede davon sein, daß έν αύτω für den Areopagredner etwa ,,durch
ihn“ bedeuten könnte. Denn die Folgerung, die aus diesem und
dem nächsten Satz gezogen wird, lautet dahin, daß wir Menschen
Gottes Geschlecht d. h. gottverwandt sind. Also ist έν αύτω zum
mindesten im Sinn eines gewissen Panentheismus zu fassen2.
Der Gedanke von der Gottverwandtschaft des Menschen ist
seit der Verbreitung und Popularisierung des stoischen Hildes vom
Weisen in der Philosophie heimisch. Am nächsten kommen unserer
Stelle, wie schon oft bemerkt worden ist, gewisse Ausführungen
des Dio von Prusa, nach denen die Vorstellung vom Wesen der
Götter jedem vernünftigen Wesen von Natur eingepflanzt ist διά
τήν ξυγγένειαν την προς αύτούς3. In diesem Zusammenhang aber
heißt es: άτε γάρ ού μακράν ούδ3 έξω τού Τείου διωκισμένοι κα-ίΡ
αύτούς, άλλα έν αύτω μέσω πεφυκότες, μάλλον δέ συμπεφυκότες έκείνω4.
Daß solche Gedanken ohne weiteres vorausgesetzt werden können,
zeigt auch das erste Tempelweihgebet, das Josephus dem König
Salomo in den Mund legt und das, wie schon erwähnt, ganz helle-
nistisch empfunden ist (s. S. 20 A. 6 u. S. 23 A. 2): danach ist es
der Zweck des Tempelkults, in den Menschen die Überzeugung zu

über steht καίτοι AE, καίτοιγε N u. a. = quamvis g vg Irenaeus. Aber auch
diese Lesart beruht wohl auf einem Versehen, denn wie sollte man den Kon-
zessivsatz deuten ?
1 Man merkt den Unterschied von den geläufigen biblischen Gedanken
sehr deutlich, wenn man Act. 10, 35 daneben hält: άλλ5 έν παντί έ'θνει.
ό φοβούμενος αύτόν καί εργαζόμενος δικαιοσύνην δεκτός αύτω έστιν. Hier
haftet das Interesse an der Übernationalität des Heils, und davon sagt
die Areopagrede nichts. Hier ist der Sinn aber auch nur: 'jeher Gerechte
ist Gott wohlgefällig5 und nicht, wie in Act. 17, 'jeder Mensch ist gottverwandt5.
2 Man mag zum Unterschied die Deutung der Namensformen Ζήνα und
Δία bei Plato Cratylus 396a b vergleichen: συμβαίνει ούν όρθώς όνομάζεσθαι
ούτος ό -θ-εός είναι, δι5 δν ζην άεί πασι τοΐς ζώσιν υπάρχει. Hier fehlt das ent-
scheidende έν der Areopagrede. Vgl. übrigens Deissmann, Die neutestament-
liche Formel „in Christo Jesu“, 1892, S. 93ff.
3 Dio Prus. Oratio XII 27 (I 162 v. Arnim).
4 Ebenda XII 28.
 
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