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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 2. Abhandlung): Paulus auf dem Areopag — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.41997#0044
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44

Martin Dibelius:

eine Fülle von Anspielungen in wenig Versen! Mit Recht hat man
diese Charakteristik der Athener das 'Gebildetste’ genannt, was
überhaupt im Neuen Testament steht* 1.
Der Bericht über Paulus in Athen ist jedenfalls von jemandem
geschrieben, der seinen Stil frei zu wählen verstand. Und wenn
man diesen Bericht dem Lukas — um den Autor der Apostel-
geschichte so zu nennen2 — abspricht, weil er angeblich solche
stilistische Kunst sonst nicht bewähre3, so muß doch die Gegen-
frage gestellt werden, ob denn der angebliche Bearbeiter der Acta
an einer anderen Stelle solche Fähigkeit zu stilisieren erwiesen
habe. Von daher kann, so scheint mir, die Überarbeitungshypo-
these nicht begründet werden.
Wohl aber kann man, wenn die Frage der Geschichtlichkeit
vorläufig zurückgestellt wird, wahrscheinlich machen, daß dieser
Bericht und die Areopagrede von dem gleichen Verfasser stammen.
Denn die Schilderung Athens und der Athener ist offenbar im Vor-
blick auf die Rede abgefaßt.
Das erste, was von Paulus berichtet wird, ist seine Erregung
über die vielen Götterbilder in Athen. Das ist eine Vorbereitung
auf die Einleitung und die dritte Motivgruppe der Rede: auf die
Anerkennung der δεισιδαιμονία der Athener und die Abmahnung
vom Bilderdienst. Freilich scheint hier ein Unterschied der Be-
urteilung sichtbar zu werden: der Bericht redet nicht mit der An-
erkennung von den Athenern wie es die Einleitung der Rede tut.
Der Unterschied darf nicht übertrieben werden; die Erregung
ζων, ετερα δέ καινά δαιμόνια είσφέρων. Über die Verwandlung von καινά in
ξένα s. Norden, a. a. O. 53, Anm. 3.
1 Norden, a. a. O. 333.
2 Wenn man, wie sich zeigen wird, zur Annahme einer Überarbeitung
der Acta apost. nicht genötigt ist, hat die Annahme, daß der wirkliche Autoren-
name in der ersten, noch nicht für einen „Kanon“ bestimmten Ausgabe des
Werkes genannt war, alle Wahrscheinlichkeit für sich. Denn es ist nahezu
undenkbar, daß die beiden Teile des Werkes zwar den Adressaten der Wid-
mung ausdrücklich nannten, ihren Urheber aber sorgfältig verschwiegen. Dann
aber ist nicht einzusehen, warum der kirchlich approbierte Autorenname in
diesem Fall nicht der richtige, weil auf Tradition beruhende, sein sollte.
3 Auch dies ist übrigens nicht völlig richtig. Denn im Evangelium des
Lukas hat der Autor oft stilisiert, und wenn er Luk. 1, 5 ff. den Stil der alten
Erzählungen übernahm, tat er es sicherlich nicht, weil er nicht anders konnte,
sondern weil er diesen Stil für angemessen hielt. So entstand der beträcht-
liche Stilunterschied zwischen Luk. 1, 1-—4 und der Fortsetzung. Vgl. Har-
nack, Mission und Ausbreitung des Christentums 104.
 
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