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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 2. Abhandlung): Paulus auf dem Areopag — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.41997#0045
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Paulus auf dem Areopag.

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kann sich auf die Aufgabe beziehen und braucht nicht unbedingt
Zorn zu bedeuten; zudem gilt sie den Bildern, und die werden
auch in der Rede kritisiert. Der Unterschied des Tones zwischen
17, 16 und 17, 22 muß dem Leser der Apostelgeschichte trotzdem
auffallen. Aber eine ähnliche Spannung zwischen Berichten und
Reden ist auch sonst in dem Buch der Acta festzustellen. Man
erinnere sich, daß die Bekehrung des Paulus in den beiden Reden
22, 6—16 und 26, 12—18 in etwas anderer Weise berichtet wird
als in der Erzählung 9, 1—19. Oder man lese in der Rede des
Paulus vor dem Prokurator Felix 24,17 die Erwähnung der Kolt-
lekte des Paulus als des eigentlichen Zwecks seiner Reise nach Jeru-
salem, während der Bericht über diese Reise erstaunlicherweise da-
von schweigt. Auch die bei der Zusammenkunft der Apostel ge-
haltenen Reden Act. 15, 7—21 entsprechen keineswegs der ge-
spannten Lage, wie sie vorher geschildert ist1. Der Grund für diese
offenbar bewußten Variationen liegt wohl darin, daß die Reden
bestimmte sachlich wichtige Gedankenkomplexe zum Ausdruck
bringen und sich dabei von der strengen Berücksichtigung der
jeweiligen geschichtlichen Umstände dispensieren; in manchen
Fällen mag es sich auch um ein literarisches Streben nach Variation
handeln. In jedem Fall geht der Unterschied in der Beurteilung
des Heidentums Act. 17 nicht auf eine Quellendifferenz zurück,
sondern auf bewußte Bemühung des Verfassers.
Der Bericht erzählt weiter von dem Auftreten des Paulus in
der Synagoge und auf der Agora. Die Synagoge und die Juden
freilich kommen in der Rede auf dem Areopag überhaupt nicht
vor, und das entspricht der Gelegenheit. Wohl aber werden die
Epikureer und Stoiker als Hörer des Apostels genannt — und mit
dieser Erwähnung der Philosophen ist der wesentlichste Inhalt der
Rede, wie ihn die Analyse erhoben hat, in der Tat aufs glücklichste
vorbereitet und charakterisiert. Fast könnte man geneigt sein, in
diesen Zusammenhang auch den Ausdruck σπερμολόγος einzubezie-
hen. Diese abschätzige Beurteilung des Apostels als eines Mannes
der Schlagworte würde dann, nur mit anderem Vorzeichen, die
1 Man kann Ähnliches auch an den Briefen in der Apostelgeschichte
beobachten: im Brief der Apostel und Ältesten 15, 26 ist eine Charakteristik
von Paulus und Barnabas gegeben, die keineswegs der sonst in Jerusalem
herrschenden Stimmung entspricht; im Schreiben des Lysias 23, 30 wird
eine Weisung an die Kläger des Paulus erwähnt, von der wir bisher noch
nichts gehört haben.
 
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