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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 2. Abhandlung): Paulus auf dem Areopag — Heidelberg, 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.41997#0055
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Paulus auf dem Areopag.

55

suchen1. Aber solche Vermutungen können kaum auf methodi-
schem Wege in den Bereich der Wahrscheinlichkeit erhoben werden.
Vielleicht hat übrigens die Nennung des Areopagiten in dem
Itinerar schon auf den Verfasser der Apostelgeschichte eine be-
stimmte Wirkung ausgeübt. Vielleicht hat sie ihn veranlaßt, die
Rede auf den Areopag zu veilegen und so der klassischen Heiden-
predigt — denn so wollte er die Rede angesehen wissen — auch
eine klassische Kanzel zu geben. All die geschichtlichen Fragen
nach der Eignung des Ortes, wie wir sie aufrollen, hätten ihn dann
ebensowenig gekümmert wie die Tatsache, daß Paulus damals in
Athen fast keinen Erfolg gehabt hatte. Die Szene, die er schilderte,
sollte ja nicht im Zusammenhang jener Missionsfahrt verstanden
werden; er wollte nicht etwa Athen, das sich der Predigt nahezu
verschlossen hatte, über Korinth, die Station des Erfolges, erhöhen.
Er wollte ein übergeschichtliches Bild zeigen. Für ihn war Athen
offenbar immer noch das Symbol griechischer Bildung.
Er wußte aus jenen Reiseaufzeichnungen, was uns durch
I. Tbess. 3, 1 bezeugt ist, daß Paulus auf seiner ersten Reise nach
Griechenland tatsächlich in Athen gewesen war. Diese Reise nach
Griechenland aber war für Lukas ein weltbewegendes Ereignis.
Seine ganze Berichterstattung Act. 16, 6—10 zielt, darauf ab, die
göttliche Fügung beim Zustandekommen dieser Reise zu betonen;
sie ist nicht geplant, sie wird Paulus geradezu durch Geisteswirkung
und nächtliches Gesicht aufgenötigt. Zweifellos hat Lukas, der
selber an der griechischen Bildungswelt in gewissem Maße Anteil
hatte, die Größe der Begegnung gespürt, die sich vollzog, als der
christliche Apostel den Boden Griechenlands betrat. Ein Ausdruck
dieses missions- und geistesgeschichtlichen Vorgangs ist dem Autor
das Auftreten des Paulus in Athen. Darum hat Lukas die ganze
Eigenart des damaligen Athen in wenigen Sätzen heraufbeschwo-
ren, um der apostolischen Predigt den rechten Hintergrund zu
geben, darum bringt er den Apostel an einen erlauchten, von großer
Überlieferung geweihten Platz, darum läßt er ihn auch mehr von
1 Man könnte etwa daran denken, daß in den Versen 17, 19. 20 ein
Satz aus dem Itinerar verwendet wäre. Dann würde sich erklären, warum
auf δυνάμεθα γνωναι τίς ή καινή αυτή ή υπό σου λαλουμένη διδαχή noch ein-
mal folgt βουλόμεθα ούν γνώναι τίνα θέλει ταυτα είναι. Oder man könnte
in den Sätzen, die unmittelbar auf die Rede folgen, Stücke des Itinerars ver-
muten oi μέν έχλεύαζον, οΐ δέ είπαν . . . ., τινές δέ άνδρες κολληθέντες
κτλ. Aber das alles sind nur Möglichkeiten. Wir müssen uns darauf beschrän-
ken, die oben erwähnten zwei Sätze für das Itinerar in Anspruch zu nehmen,
weil ihre Zugehörigkeit mit sprachlichen und sachlichen Gründen wahrschein-
lich gemacht werden kann.
 
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