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Dihle, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1977, 5. Abhandlung): Euripides' Medea: vorgetragen am 20. November 1976 — Heidelberg: Winter, 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.45466#0048
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Albrecht Dihle

halb gelingt Medeas Trug, und der Chor vermag am Ende des Stückes die Bluttat
nur als Ausfluß übermäßiger Emotion zu erfassen (1265f.).
39 Diesen Hinweis verdanke ich Konrad Gaiser.
4θ In der Schrift 'De natura deorum’ (3,66/69) zitiert Cicero mehrere Verse aus der
'Medea’ des Ennius und knüpft daran die Betrachtung, Medea habe doch ihr Ver-
brechen nicht ohne die ratio vollbracht, die nach Meinung der Philosophen nur
der Mensch als Gottesgabe erhalten habe, während die Tiere ohne sie leben
müßten. Cicero bezieht sich dabei sowohl auf das ratiocinari vor der Tötung der
Kinder als auf Medeas Mord an ihrem Bruder Apsyrtos auf der Flucht aus Kol-
chis, der bei Ennius ausführlich beschrieben wurde. Neben Medea nennt Cicero
außerdem auch noch Atreus als Beispiel dafür, wie die ratio heroischer Personen
für ihre Verbrechen ausschlaggebend war (70/72). Der Passus läßt erkennen, daß
sich Cicero gegen die übliche Meinung von der Alleinschuld der Emotionen
Medeas wendet. Die Vorsätzlichkeit der Tat Medeas, die nicht als Affekthandlung
im modernen Sinn gelten kann, betont schon Aristoteles (Poet. 1453 b 29), und
Epiktet, der sich hier an der altstoischen Lehre und ihrer Ablehnung selbständiger
irrationaler Fähigkeiten im Leitorgan der menschlichen Seele orientiert, weist
darauf hin, daß Medea sich im Rahmen ihrer Erkenntnismöglichkeiten bei der
Tat vom Verstand leiten ließ und das ihr kleiner erscheinende Übel wählte (diss.
2,17,19f.; ähnlich 1,28,7).
41 Zuerst erkannt von F. Leo, Der Monolog im Drama, Leipzig 1906, 36.
42 Es geht in dieser Szene der 'Acharner (406-89) darum, daß der Held, Dikaiopolis,
sich einen ingeniösen, von den Regieeinfällen euripideischer Tragödien inspi-
rierten Plan ausgedacht hat, seine Haut vor den erbosten Demengenossen zu ret-
ten und diese darüber hinaus für eine Unterstützung seines Friedensprojektes zu
gewinnen. Um den ganzen Plan (βούλευμα 837), durchzuführen, braucht er Ko-
stüme, Versatzstücke und dgl. aus dem Vorrat des Euripides, den er darum in
einem längeren Dialog um die Ausleihe der gewünschten Theatergegenstände
bittet. Im Verlauf dieses Dialogs, in dem er bei Euripides auf wenig Entgegen-
kommen stößt, muß er immer wieder an den eigenen θυμός oder die eigene καρ-
δία - die Wörter sind auch hier synonym (vgl. E. W. Handley, Rh. Mus. 99, 1956,
216-225) - appellieren, ihn nicht bei diesem Vorhaben im Stich zu lassen. In diesen
Partien wird der große Monolog der Medea ausgiebig parodiert, denn die Si-
tuation ist ähnlich: Beide, Medea und Dikaiopolis, haben einen ebenso klugen
wie verwegenen Plan konzipiert, bei beiden besteht die Gefahr, daß θυμός oder
καρδία die notwendige Mithilfe bei der Ausführung des Planes verweigern. Di-
kaiopolis kostet schon der Bittgang bei Euripides, der unumgänglicher Teil seines
Planes ist, Überwindung. Also bereits hier wird der Appell an den θυμός nötig
(450-53; 457; 461f.; 465f.; 473f.; 480f.; 483). Aber anders als Medea, die ihre
Unentschlossenheit nicht aus eigener Kraft überwinden kann und am Ende nur
von den selbst herbeigeführten Umständen zur Tat gezwungen wird, führt Di-
kaiopolis sein Vorhaben bei Euripides zum planmäßigen guten Ende. Darum
macht er seiner καρδία ein Kompliment und ermuntert sich mit sehr zuversicht-
lichen Worten zu den weiteren Taten, die der Plan vorsieht (489).
Τόλμησον, ϊθι, χώρησον άγαμαι καρδίας.
Auch hier liegt die parodistische Bezugnahme auf die Medea auf der Hand
(τολμητέον τάδ’ 1051), gerade wegen des anderen Ausgangs.
 
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