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Eike Wolgast
freundliche Anton von Navarra als nächstberechtigter Prinz von Geblüt
die politische Macht übernahm, forderte Calvin diesen auf, mit Hilfe
der Generalstände seine Rechte wahrzunehmen und die Leitung der
Regentschaft zu beanspruchen. „Et de fait le restablissement d’un
royaume merite bien que rien n’y soit espargne et par plus forte raison
le devoir est encore beaucoup plus grand ä procurer que le regne du fils
de Dieu, la vraye religion, la pure doctrine de nostre salut qui sont cho-
ses plus pretieuses que tout le monde, soyent remise en leur entier“36.
Neben den Generalständen waren auch die Prinzen von Geblüt berech-
tigt und verpflichtet, das Wohl des Landes zu wahren; schlossen sich ih-
nen die Parlamente bei einem solchen Vorgehen an, so war es erlaubt „ä
tout bons suiect de leur prester main forte“37. Ein einziger Prinz von
Geblüt reichte demgegenüber nicht aus, um ein solches Vorgehen zu le-
gitimieren. Die causa religionis war bei Calvin in diesem Zusammen-
hang kein Argumentationsfaktor, da es primär um die Wahrnehmung
rechtlich abgesicherter Interessen ging, nicht um den Schutz von Glau-
bensbrüdern. Der Sieg der reinen Lehre erschien als notwendige Folge
der Machtübernahme durch evangelische Politiker.
Calvins Mahnungen an die Gemeinden in der Krise des französischen
Protestantismus 1559-1561, der Verfolgung nicht mit unlegitimierter
eigenmächtiger Gewalt, sondern mit Gebet und Geduld zu begegnen,
haben keine einhellige Zustimmung gefunden. Trotz seiner Warnungen
entstand mit der fortschreitenden Politisierung innerhalb der französi-
schen Calvinisten eine Gruppe aktivistischer Hugenotten, die in den
Verfolgungen nach dem Scheitern der Verschwörung von Amboise eine
politische Organisation und auch Ansätze zu einer militärischen Orga-
nisation vor allem in Südfrankreich ausbildete. Unter Berufung auf die
Vorbilder des Alten Testaments nahm sie für sich ein Widerstandsrecht
in Anspruch. Die Leitung der Gemeinden entglitt Calvin und den Pfar-
rern mehr und mehr und ging in die Hände der weltlichen Großen über.
Die von Genf aus geforderte Bereitschaft zum Martyrium bei Glau-
bensverfolgung von Seiten der Obrigkeit wurde zwar theoretisch aner-
kannt, aber in der Praxis unterlaufen, indem der Herrschaft der Regent-
schaftspartei unter Leitung der landfremden Guises der Charakter einer
legitimen Obrigkeit abgesprochen wurde38.
36 CR Opp. 18, 312 (an Anton von Navarra, 16. Jan. 1561); vgl. auch ebd.. 281ff. (an
denselben, Dez. 1560).
37 Ebd., 426 (an Coligny, 16. April 1561, im Rahmen der Rechtfertigung seines Verhal-
tens gegenüber der Verschwörung von Amboise).
38 Vgl. Nürnberger (s. Anm. 16), 48ff.; Kingdon (s. Anm. 28), 54ff.; V. de Caprariis,
Eike Wolgast
freundliche Anton von Navarra als nächstberechtigter Prinz von Geblüt
die politische Macht übernahm, forderte Calvin diesen auf, mit Hilfe
der Generalstände seine Rechte wahrzunehmen und die Leitung der
Regentschaft zu beanspruchen. „Et de fait le restablissement d’un
royaume merite bien que rien n’y soit espargne et par plus forte raison
le devoir est encore beaucoup plus grand ä procurer que le regne du fils
de Dieu, la vraye religion, la pure doctrine de nostre salut qui sont cho-
ses plus pretieuses que tout le monde, soyent remise en leur entier“36.
Neben den Generalständen waren auch die Prinzen von Geblüt berech-
tigt und verpflichtet, das Wohl des Landes zu wahren; schlossen sich ih-
nen die Parlamente bei einem solchen Vorgehen an, so war es erlaubt „ä
tout bons suiect de leur prester main forte“37. Ein einziger Prinz von
Geblüt reichte demgegenüber nicht aus, um ein solches Vorgehen zu le-
gitimieren. Die causa religionis war bei Calvin in diesem Zusammen-
hang kein Argumentationsfaktor, da es primär um die Wahrnehmung
rechtlich abgesicherter Interessen ging, nicht um den Schutz von Glau-
bensbrüdern. Der Sieg der reinen Lehre erschien als notwendige Folge
der Machtübernahme durch evangelische Politiker.
Calvins Mahnungen an die Gemeinden in der Krise des französischen
Protestantismus 1559-1561, der Verfolgung nicht mit unlegitimierter
eigenmächtiger Gewalt, sondern mit Gebet und Geduld zu begegnen,
haben keine einhellige Zustimmung gefunden. Trotz seiner Warnungen
entstand mit der fortschreitenden Politisierung innerhalb der französi-
schen Calvinisten eine Gruppe aktivistischer Hugenotten, die in den
Verfolgungen nach dem Scheitern der Verschwörung von Amboise eine
politische Organisation und auch Ansätze zu einer militärischen Orga-
nisation vor allem in Südfrankreich ausbildete. Unter Berufung auf die
Vorbilder des Alten Testaments nahm sie für sich ein Widerstandsrecht
in Anspruch. Die Leitung der Gemeinden entglitt Calvin und den Pfar-
rern mehr und mehr und ging in die Hände der weltlichen Großen über.
Die von Genf aus geforderte Bereitschaft zum Martyrium bei Glau-
bensverfolgung von Seiten der Obrigkeit wurde zwar theoretisch aner-
kannt, aber in der Praxis unterlaufen, indem der Herrschaft der Regent-
schaftspartei unter Leitung der landfremden Guises der Charakter einer
legitimen Obrigkeit abgesprochen wurde38.
36 CR Opp. 18, 312 (an Anton von Navarra, 16. Jan. 1561); vgl. auch ebd.. 281ff. (an
denselben, Dez. 1560).
37 Ebd., 426 (an Coligny, 16. April 1561, im Rahmen der Rechtfertigung seines Verhal-
tens gegenüber der Verschwörung von Amboise).
38 Vgl. Nürnberger (s. Anm. 16), 48ff.; Kingdon (s. Anm. 28), 54ff.; V. de Caprariis,