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Eike Wolgast
Gegenwehr hervorrief; der Anlaß des Widerstands, die causa religionis,
trat hinter dieser Rechtsfolge zurück.
Der dritte große hugenottische Traktat, die wahrscheinlich 1574/75
verfaßten und 1579 unter dem Pseudonym Junius Brutus Stephanus
Celta publizierten „Vindiciae contra Tyrannos“90, baute die von Beza
markierten Positionen weiter aus. Schon Titel und Verfasserbezeich-
nungwaren Programm: „Vindiciae“ als „Rechtsanspruch“ mit dem Ge-
danken an Widerstand bei Rechtsverweigerung, das Pseudonym mit der
Zusammensetzung aus dem Namen zweier antiker Tyrannenmörder91.
Ausgangspunkt der Widerstandslehre der „Vindiciae“ ist eine aus-
führlich dargelegte Vertragslehre, die biblisch und naturrechtlich be-
gründet wird. Die Konzeption des Herrschaftsvertrags mit wechselseiti-
ger Bindung ist hier zum Doppelbund erweitert. Dem Vertrag zwischen
König und Volk wird der Bund, den Gott mit Volk und König nach dem
Muster des Alten Testaments schließt, übergeordnet92; daraus resultiert
eine Verstärkung der unmittelbaren Abhängigkeit des Herrschers von
Gott und eine bestimmte Beschränkung seiner Machtstellung durch die
Souveränität Gottes. Zweck des Bundes mit Gott ist die Frömmigkeit,
durch deren Verletzung der König seine Herrschaftslegitimation ver-
liert; die Bestrafung für diesen Bundesbruch ist allerdings Gott als Rich-
ter selbst vorbehalten. Zweck des Herrschaftsvertrags ist die Gerechtig-
keit, deren Verletzung ein Widerstandsrecht gegen die Tyrannis in
Kraft setzt. Der Vertragsbruch muß, um Folgen für den Fürsten nach
90 Vindiciae contra tyrannos sive de principis in populum populique in principem legiti-
ma potestate (Edinburgh 1579; Ort und Jahr fraglich) (im Folgenden eine Ausgabe
von 1589 benutzt). Zur Verfasserfrage - doch wohl Philippe Deplessis-Mornay unter
Mithilfe von Hubert Languet — vgl. die Zusammenfassung der Literatur bei C. Vau-
tier, Les theories relatives ä la souverainete et ä la resistance chez l’auteur des Vindi-
ciae contra tyrannos, 1579 (jur. Diss. Lausanne 1947), 15ff. Eine Bibliographie der
„Vindiciae“ vgl. bei Dennert, Beza (s. Anm. 77), 349f.; ebd., 61ff. eine deutsche
Übersetzung. Zu den „Vindiciae“ vgl. auch A. Elkan, Die Publizistik der Bartholo-
mäusnacht und Mornays „Vindiciae contra Tyrannos“ (Heidelberg 1905), bes. 60ff.;
Franklin (s. Anm. 77), 39ff. 137ff.; Dennert, Ursprung (s. Anm.45), 46ff.; Stricker (s.
Anm. 45), 150ff.; E. R. Giesey, The Monarchomach Triumvirs: Hotman, Beza and
Mornay. In: Bibliotheque d’Humanisme et Renaissance 32/1970, 41ff.; Näf, Herr-
schaftsverträge (s. Anm. 5), 43ff.; H. Kretzer, Calvinismus und französische Monar-
chie im 17. Jahrhundert (Berlin 1975), 22ff.
91 Nach Stricker (s. Anm. 45), 157 wird mit „Stephanus“ auf den ersten christlichen
Märtyrer hingewiesen; in der Verbindung mit Brutus ist aber vermutlich eher an den
bei Sueton, De vita Caes. VIII, 17 genannten Mörder Domitians zu denken.
92 Zum Gedanken des religiösen Bundes in den „Vindiciae“ vgl. Oestreich (s. Anm. 45),
168ff.; vgl. auch Gough (s. Anm.45), 54ff.
Eike Wolgast
Gegenwehr hervorrief; der Anlaß des Widerstands, die causa religionis,
trat hinter dieser Rechtsfolge zurück.
Der dritte große hugenottische Traktat, die wahrscheinlich 1574/75
verfaßten und 1579 unter dem Pseudonym Junius Brutus Stephanus
Celta publizierten „Vindiciae contra Tyrannos“90, baute die von Beza
markierten Positionen weiter aus. Schon Titel und Verfasserbezeich-
nungwaren Programm: „Vindiciae“ als „Rechtsanspruch“ mit dem Ge-
danken an Widerstand bei Rechtsverweigerung, das Pseudonym mit der
Zusammensetzung aus dem Namen zweier antiker Tyrannenmörder91.
Ausgangspunkt der Widerstandslehre der „Vindiciae“ ist eine aus-
führlich dargelegte Vertragslehre, die biblisch und naturrechtlich be-
gründet wird. Die Konzeption des Herrschaftsvertrags mit wechselseiti-
ger Bindung ist hier zum Doppelbund erweitert. Dem Vertrag zwischen
König und Volk wird der Bund, den Gott mit Volk und König nach dem
Muster des Alten Testaments schließt, übergeordnet92; daraus resultiert
eine Verstärkung der unmittelbaren Abhängigkeit des Herrschers von
Gott und eine bestimmte Beschränkung seiner Machtstellung durch die
Souveränität Gottes. Zweck des Bundes mit Gott ist die Frömmigkeit,
durch deren Verletzung der König seine Herrschaftslegitimation ver-
liert; die Bestrafung für diesen Bundesbruch ist allerdings Gott als Rich-
ter selbst vorbehalten. Zweck des Herrschaftsvertrags ist die Gerechtig-
keit, deren Verletzung ein Widerstandsrecht gegen die Tyrannis in
Kraft setzt. Der Vertragsbruch muß, um Folgen für den Fürsten nach
90 Vindiciae contra tyrannos sive de principis in populum populique in principem legiti-
ma potestate (Edinburgh 1579; Ort und Jahr fraglich) (im Folgenden eine Ausgabe
von 1589 benutzt). Zur Verfasserfrage - doch wohl Philippe Deplessis-Mornay unter
Mithilfe von Hubert Languet — vgl. die Zusammenfassung der Literatur bei C. Vau-
tier, Les theories relatives ä la souverainete et ä la resistance chez l’auteur des Vindi-
ciae contra tyrannos, 1579 (jur. Diss. Lausanne 1947), 15ff. Eine Bibliographie der
„Vindiciae“ vgl. bei Dennert, Beza (s. Anm. 77), 349f.; ebd., 61ff. eine deutsche
Übersetzung. Zu den „Vindiciae“ vgl. auch A. Elkan, Die Publizistik der Bartholo-
mäusnacht und Mornays „Vindiciae contra Tyrannos“ (Heidelberg 1905), bes. 60ff.;
Franklin (s. Anm. 77), 39ff. 137ff.; Dennert, Ursprung (s. Anm.45), 46ff.; Stricker (s.
Anm. 45), 150ff.; E. R. Giesey, The Monarchomach Triumvirs: Hotman, Beza and
Mornay. In: Bibliotheque d’Humanisme et Renaissance 32/1970, 41ff.; Näf, Herr-
schaftsverträge (s. Anm. 5), 43ff.; H. Kretzer, Calvinismus und französische Monar-
chie im 17. Jahrhundert (Berlin 1975), 22ff.
91 Nach Stricker (s. Anm. 45), 157 wird mit „Stephanus“ auf den ersten christlichen
Märtyrer hingewiesen; in der Verbindung mit Brutus ist aber vermutlich eher an den
bei Sueton, De vita Caes. VIII, 17 genannten Mörder Domitians zu denken.
92 Zum Gedanken des religiösen Bundes in den „Vindiciae“ vgl. Oestreich (s. Anm. 45),
168ff.; vgl. auch Gough (s. Anm.45), 54ff.