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Götze, Heinz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 2. Abhandlung): Castel del Monte: Gestalt, Herkunft u. Bedeutung; vorgetragen am 14. Jan. 1984 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47813#0026
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Heinz Götze

einem Banner ist keine rein dekorative Darstellung zu erwarten,
sondern eher ein Heilszeichen, das die Vollkommenheit der (isla-
mischen) Welt symbolisieren mag.
Es würde zu weit führen, die zahlreichen Beispiele des Acht-
sterns in der Architektur und in der islamischen dekorativen Kunst
zu verfolgen. Einige charakteristische Belege für die Kontinuität
und Langlebigkeit des Motives mögen genügen.
Im Mausoleum des Humayun in Delhi, das von der Witwe des
Verstorbenen 1565 errichtet worden ist und dem allgemeinen Stile
Zentralasiens entspricht, insbesondere jenem des Tibur in Samar-
kand20 , ist deutlich die Konstruktion des Motivs aus den beiden
über Kreuz gestellten Quadraten zu erkennen (Abb. 6). Seit
kurzem sind wir in der glücklichen Lage, den genauen Weg der Kon-
struktion dieser Figur im islamischen Bereich praktisch nachzuvoll-
ziehen. Französische Islamisten und Architekturhistoriker haben
in Marokko bei zeitgenössischen arabischen Architekten und
Kunsthandwerkern der arabischen Dekorationskunst zugeschaut
und die Entstehung der Hauptfiguren nachvollzogen21. Das Ergeb-
nis ist die hier wiedergegebene Figur (Abb. 7), die uns nicht nur an
den Anfang unserer Überlegungen zurückführt, sondern zugleich
den Weg zeigt, in der die Figur von alters her entwickelt worden ist,
denn die Zeichnung des Motivs stimmt kongruent mit der vom
Mausoleum des Humayun in Delhi überein (Abb. 8). Der isla-
mische Handwerker geht vom Quadrat mit seinen Diagonalen und
Durchmessern aus; diesem Quadrat schreibt er den Kreis ein und
führt je eine Verbindung der Schnittpunkte Kreis/Diagonalen und
Kreis/Durchmesser zu je zwei gegenüberliegenden Schnittpunk-
ten Kreis/Diagonale bzw. Kreis/Durchmesser und erhält damit die
Figur des Achtsterns!
Es ist eine große und zunächst völlig unerwartete Überraschung,
den Achtstern außerhalb des islamischen Kreises bei Leonardo da
Vinci wiederzufinden. Leonardo ist als Architekt nicht hervorgetre-
ten, doch haben er und Bramante sich eingehend mit der Theorie
des Zentralbaus beschäftigt. Viele Skizzen Leonardos liegen dar-
über vor. Eine dieser Skizzen entwickelt einen Zentralbau aus
Quadrat, Achteck und Kreis. Zur größten Überraschung finden
wir hier die Skizze unseres Achtsterns in genau der gleichen Kon-
20 Papadopoulo, a.a.O. S. 288.
21 Andre Paccard, Le Maroc et PArtisanat traditionnel islamique dans l’architec-
ture, Edition Atelier 74, 1983, Annecy, 4 ieme edition, 2 Bände, Bd. I, S. 210.
 
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