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Götze, Heinz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 2. Abhandlung): Castel del Monte: Gestalt, Herkunft u. Bedeutung; vorgetragen am 14. Jan. 1984 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47813#0031
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Castel del Monte

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tet war. Daß Leonardo sie für einen kirchlichen Zentralbau ein-
setzte, spricht dafür, daß der Symbolgehalt durchaus noch lebendig
war.
Möglicherweise führt von hier ein direkter Weg zu dem bedeu-
tenden und interessanten italienischen Architekten des Seicento,
Guarino Guarini (1624-1683), der die Konstruktion des Achtsterns
als tragendes Element in der Kuppel der von ihm erbauten Kirche
San Lorenzo in Turin24 verwendet hat. Ein Blick in diese Kuppel
erinnert an die Kuppel in Cordoba25. Guarino Guarini war Professor
für Mathematik und Philosophie in Messina (1655), als er seine
ersten bedeutenden Bauten entwarf! Auch hier wieder treffen wir
auf die enge Verbindung von Architektur und Mathematik. Von
Messina aus ist Guarini sicher arabisch-normannischer Architektur
begegnet. Die Konstruktion der Kuppel von San Lorenzo in Turin
spricht dafür.
Das Auftauchen des Achtsterns bei Leonardo da Vinci und bei
Sebastiano Serlio legt folgende Fragen nahe:
1. Ist das Achtsternmotiv wieder neu entdeckt worden?
2. Sind Anregungen aus dem islamischen Bereiche erfolgt? oder
3. ist dieses symbolträchtige Motiv mit der Architektur des antiken
Zentralbaus als Konstruktionsfigur über Byzanz und Syrien in
den westlichen und in den islamischen Bereich eingedrungen?
Vieles spricht für das Letztere. Eine endgültige Klärung kann nur
eine systematische Untersuchung der Geschichte des Zentralbaus
in Europa und Kleinasien seit der Antike erbringen.
Frühzeitig ist der Zentralbau mit dem Achteck verbunden, etwa
beim römischen Pantheon (118-128 n. Chr.), dessen Nischen-
anordnung im Innern achtteilig ist. In der Domus Aurea des Nero
(64-68 n. Chr.) ist ein achteckiger überwölbter Raum zu erschlie-
ßen und der Dianatempel von Bajae zeigt ein voll ausgebildetes
Achteck mit kreisrundem Innenraum. Das achteckige Mausoleum
im Diokletianspalast von Spalato (303 n. Chr.) nimmt bereits
Grundrißgestalten späterer islamischer Mausoleen vorweg - etwa
desjenigen von Sämarrä (s. oben Seite 19). Das innere des kreis-
24 Und außerdem noch in Santa Sindone. D. Guarino Guarini, Architettura Civile,
Torino, 1737. Tav. 4, 5 und 6.
25 Norbert Huse, in: Propyläen-Kunstgeschichte, Bd. 9, Berlin, 1970, S. 219 f., Fig. 4
und Abb. 229b; Federico A. Arborio Mella, Gli Arabi e l’Islam, Milano, 1981,
S. 280 mit Abbildung; Mario Passanti, Nel Mondo Magico di Guarino Guarini,
Torino, 1963, Seite 133, Abb. 11.
 
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