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Götze, Heinz; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 2. Abhandlung): Castel del Monte: Gestalt, Herkunft u. Bedeutung; vorgetragen am 14. Jan. 1984 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47813#0039
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Castel del Monte

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Am 29. Januar 1240 erteilte der Kaiser von Gubbio aus einem
Manne seines persönlichen Vertrauens, R. de Montefusculus, den
Befehl, für das Kastell, das er bei Santa Maria del Monte zu errich-
ten gedachte, einen Estrich herrichten zu lassen aus Kalk, Stein
und anderem geeigneten Material31. Könnte damit gemeint sein,
daß hier eine Grundfläche zu planieren war, auf der die Meßfigur
aufgerissen werden sollte? Die persönliche Anweisung des Kaisers
an einen Sonderbeauftragten spricht für einen wichtigen Vorgang,
wie es die Anlage einer ,Richtschicht‘ zweifellos darstellt. Sie ist die
Meßbasis sowohl für den Grundriß als für den Aufbau des Mauer-
werks. Meßbasen dieser Art sind seit dem Altertum bekannt und
mußten auch für mittelalterliche Bauten angelegt werden32.
31 Constitutiones regum regni utriusque Siciliae . . . ed. Cajetanus Carcani, Neapel,
1786, p. 327 f.; J.-L.-A. Huillard-Breholles, Historia Diplomatica Friderici Se-
cundi sive Constitutiones etc., Paris, 1859, Tom. V, Pars II p. 697; Eduard
Sthamer, Dokumente zur Geschichte der Kastellbauten Kaiser Friedrichs II. usw.
II. 1926. S. 62 Nr. 734:
Cum pro Castro quod apud Sanctam Mariam de Monte fieri volumus, per te licet
de tua jurisdictione non sit, instanter fieri velimus actractum, fidelitati tue preci-
piendo mandamus quatenus actractum ipsum in calce, lapidibus et Omnibus aliis
oportunis fieri facias sine mora. Significaturus nobis frequenter quid inde duxeris
faciendum . . .
Herrn A. Dihle, Heidelberg, verdanke ich die folgende Übertragung des latei-
nischen Textes: „Da wir für das Kastell, das nach unserem Willen bei S. Maria
de Monte entstehen soll, durch Dich, obgleich es nicht in Deinem Jurisdiktions-
bezirk liegt, sofort den attractus herrichten lassen wollen, beauftragen wir Deine
Ergebenheit, dafür Sorge zu tragen, daß dieser attractus unverzüglich mit Kalk,
Steinen und allem geeigneten Material hergerichtet werde, wobei Du uns wieder-
holt anzeigen wirst, was Du auf Grund dieses Auftrages für notwendig zu tun
erachtest“.
Was das unübersetzt gelassene Wort attractus (actractus) angeht, so ist es ein
juristischer Terminus, der primär den Erwerb oder die Einziehung eines Ver-
mögenswertes bezeichnet.
Es liegt nahe, in diesem Wort attractus eine irrtümliche Lesung zu erkennen
anstelle von astracus (Estrich), wie Huillard-Breholles vorschlägt. Fraglich ist
nur, wie dieser Fehler entstanden ist. Herrn Η. Μ. Schaller (Monumenta Ger-
maniae Historica) verdanke ich die folgende Erklärung: „Ich sehe zwei Möglich-
keiten: Der Relator R(iccardus) de Traiecto hat dem Schreiber den Text diktiert
(Hörfehler) oder ihm ein Konzept zur Reinschrift übergeben (Lesefehler). Dabei
mag eine Rolle gespielt haben, daß der Schreiber G(uilelmus) de Cusentia (siehe
Archiv für Diplomatik 3 [1957] S. 263 f. Nr. 18) juristisch gebildet war. Ob ihm
statt des bautechnischen, ihm vielleicht unbekannten vulgärlateinischen astra-
cum, astracus der juristische Begriff attractus aus der Feder geflossen ist?“
32 Vgl. Lothar Haselberger, Die Bauzeichnungen des Apollontempels von Didyma,
in: Architectura, Zeitschrift für Geschichte der Baukunst, Bd. 13.1 (1983) S. 13-26.
 
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