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Hengel, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 3. Abhandlung): Die Evangelienüberschriften: vorgetragen am 18. Oktober 1981 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47814#0012
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10

Martin Hengel

tiv nicht, wie Walter Bauer meinte, eine einfache Umschreibung
des Genetivus auctoris sehen dürfen9, vielmehr wollte man den übli-
chen Genetiv gerade vermeiden. Stattdessen brachte man durch die
auffällige Form des Titels zum Ausdruck, daß das Evangelium hier
in der besonderen Version des jeweiligen Evangelisten erzählt wird.
Die nächste Parallele haben wir darin, daß die griechischen Väter
nicht selten die verschiedenen Fassungen der griechischen Überset-
zung des Alten Testaments mit der Formel κατά τούς Έβδομήκοντα,
κατά (τον) Ακύλαν, κατά (τδν) Σύμμαχον einführen, was in analoger
Weise das eine „Alte Testament“ in der jeweiligen Version des grie-
chischen Übersetzers bzw. Bearbeiters bedeutet10.
Der Deutung des Titels bei Harnack und Zahn ist so völlig zuzu-
stimmen. Fragwürdig bleibt jedoch ihr Eintreten für die Ursprünglich-
keit der Kurzform und die Verbindung der Einführung des Titels
mit einer Fixierung des Vierevangelienkanons in der 1. Hälfte des
2. Jh.s.
Zwar finden wir noch in der neuesten 26. Auflage des Nestle-
Aland die Kurzfassungen κατά Μαύδαΐον, κατά Μάρκον usw., aber
der erstmalig beigegebene Apparat bei der Inscriptio zeigt, daß diese
Lesart auf schwachen Füßen steht. Außer dem Vaticanus und teil-
weise dem Sinaiticus11 haben alle anderen maßgeblichen, frühen
Handschriften die Langform εύαγγέλιον κατά Μαϋϋαϊον.
9 W. Bauer, Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testa-
ments und der übrigen urchristlichen Literatur,51963, Sp. 806f. (7c); ähnlich ders.,
Rechtgläubigkeit und Ketzerei im ältesten Christentum, BHTh 10, 21964 (1934),
54. Bauer verweist m.E. zu Unrecht auf G. Rudberg, Ad usum circumscribentem
praepositionum Graecarum adnotationes, Eranos 19 (1919/20) 173-206; dort stellt
sich der Sachverhalt wesentlich differenzierter dar. Zur Sache s. dagegen F. Blass/
A. Debrunner/F. Rehkopf, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, 141976,
§224,2: „In den Evangelienüberschriften ... wird durch κατά der Verfasser dieser
Form des Evangeliums bezeichnet.“ S. 182 Anm. 4 wird gegen Bauer betont,
daß bei „den Ev.-Überschriften nicht = τοΰ Μαθθαίου 'das (besondere) Ev. des
Matth.’, wie Jos. c. Ap. I 3,18 την καθ’ αύτον (sic) ιστορίαν 'sein Geschichts-
werk’“ gemeint ist.
10 Vgl. op. cit. §224,2 Anm. 4. S. schon Jacobus Wettstein, Novum Testamentum
Graecum, Tom. I, Nachdruck der Ausgabe von 1752, Graz 1962, 223: zum Evan-
gelientitel: Patres Graeci, quando vetus Testamentum ejusque varias Conversiones
citant, solent dicere κατά τούς έβδομήκοντα, κατά Ακύλαν, κατά Σύμμαχον.
Man muß dabei jedoch beachten, daß es sich bei den Vätern nicht um „Titel“
handelt, sondern ein wissenschaftlich-exegetischer Sprachgebrauch vorliegt, was
m.E. durch den Gebrauch des Artikels vor dem Namen des Übersetzers zum Aus-
druck kommt. Darauf weist Wettstein nicht hin, sondern läßt den Artikel z.T. weg.
" Der Sinaiticus hat zwar in den Inscriptiones durchgehend die Kurzform, die im
 
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