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Hengel, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 3. Abhandlung): Die Evangelienüberschriften: vorgetragen am 18. Oktober 1981 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47814#0017
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Die Evangelienüberschriften

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finden wir erst bei Justin, der mit Vorliebe - insgesamt 15 mal - die „Er-
innerungen der Apostel“, απομνημονεύματα των αποστόλων, erwähnt.
Bei ihnen war der Plural angemessen. Er übernimmt diese Bezeich-
nung wohl aus Xenophons Erinnerungen an Sokrates25. Dort, wo
er in seiner Apologie diese „Apostelerinnerungen“ zum ersten Mal er-
wähnt, setzt er erklärend hinzu: „die Evangelien genannt werden“
(άτινα καλείται εύαγγέλια)26. Während er sonst den Eindruck er-
weckt, sie seien kollektiv von den Aposteln verfaßt, eine Fiktion, die
uns im 2. Jh. öfter begegnet, präzisiert er an einer Stelle seine An-
gaben und spricht davon, daß „die Erinnerungen von (Jesu) Aposteln
und deren Nachfolgern verfaßt wurden“27, d.h. er weiß, daß ein Teil
der Evangelien Aposteln, Mt und Joh, andere aber Apostelschülern,
Mk und Lk, zugeschrieben werden. Im Dialogus 106,3 berichtet er
davon, daß Petrus seinen Namen von Jesus erhalten habe und dies
in „seinen (d.h. Petri) Erinnerungen“ niedergeschrieben sei. Aus dem
Kontext ergibt sich, daß er Mk 3,16f. zitiert, d.h. er war offenbar mit
der Überlieferung vertraut, daß Markus ein Schüler des Petrus gewesen
sei. Auch hier liegt Justin nicht am Evangelium selbst, sondern am
Hinweis auf die Zuverlässigkeit der Tradition, die auf den unmittel-
bar Betroffenen zurückgeführt werden kann.
Justin ist - ganz im Gegensatz zu uns - in keiner Weise an der
individuellen Theologie oder der Persönlichkeit der Evangelisten in-
teressiert, sondern allein an dem durch die „Erinnerungen der Apo-
stel“ glaubhaft bezeugten Wort und Wirken des Herrn, das für ihn
als Einheit erscheint und das, wie er gerne betont, durch die Apostel
von Jerusalem aus in alle Welt getragen und dann aufgeschrieben
25 Apol. 66,3; 67,3; dial. 100,4; 101,3; 102,5; 103,6.8; 104,1; 105,1.5f.; 106,1.3f.;
107,1. Im dialogus cum Tryphone konzentrieren sich die Erwähnungen in der mit
der Auslegung von Ps 22 verbundenen Jesusgeschichte. Auch hier erscheint in
100,1 zunächst der - damals schon allgemein gebräuchliche - Begriff εύαγγέλιον
als „heilige Schrift“ (έν τω εϋαγγελίω ... γέγραπται), s. dazu jetzt L. Abramowski,
Die »Erinnerungen der Apostel« bei Justin, in: Das Evangelium und die Evan-
gelien, hg. von P. Stuhlmacher, WUNT 28, 1983, 341-353. Die Kenntnis Xeno-
phons ergibt sich aus apol. II 11,2f, vgl. op. cit. 346f. „Apomnemoneumata“
waren im Gegensatz zu „Hypomnemata“ keine relativ feststehende, verbreitete
Literaturgattung. Das Verb (άπο)μνημονεύειν erscheint schon in der Markusnotiz
bei Papias, Euseb, h.e. 3,39,15, dazu Μ. Hengel, Probleme des Markusevangeliums,
in: op. cit., 221-265 (250-252).
26 Apol. 66,3. Εύαγγέλιον im Singular erscheint sonst nur noch zweimal: dial. 10,2,
wo der Jude Tryphon davon spricht, daß ,,έν τω λεγομένω εύαγγελίω bewunderns-
würdige Gebote stehen“, und dial. 100,1 s.o. Anm. 25.
27 Dial. 103,8.
 
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