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Hengel, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 3. Abhandlung): Die Evangelienüberschriften: vorgetragen am 18. Oktober 1981 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47814#0027
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Die Evangelienüberschriften

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Griechen. Der erste palästinisch-jüdische Verfasser, der unter seinem
eigenen Namen schreibt, ist Ben Sira um 180 v.Chr., d.h. die Ent-
deckung der Individualität des Autors ist so eine Errungenschaft der
hellenistischen Zeit54. Im späteren rabbinischen Judentum nannte
man dann als Neuerung die Namen der Lehrer und Tradenten.
Hinter dem Namen des Lehrers und des Tradenten stand aber zu-
gleich seine Autorität als Gelehrter.
Das muß auch im frühen Christentum beachtet werden. Am An-
fang begegnen wir der überragenden Autorität von Lehrern wie der
„Säulen“ Jakobus, Kephas-Petrus und Johannes auf der einen, Saulus-
Paulus und Barnabas auf der anderen Seite55. Die ältesten christ-
lichen Schriftwerke - die Paulusbriefe - tragen einen echten Ver-
fassemamen. Dies gehört, wenn man so will, zum „hellenistischen“
Charakter des frühesten Christentums. Dasselbe gilt von der Johannes-
apokalypse, dem 1. Clemensbrief56, den Ignatianen, dem Hirten des
Hermas, den Briefen Polykarps und allen Apologeten. Man veröf-
fentlichte (bzw. vervielfältigte durch Abschriften) in der Regel nicht
mehr anonym57, und wo man sich pseudepigraphisch hinter einer

54 S. dazu Μ. Hengel, Anonymität, Pseudepigraphie und »literarische Fälschung«
in der jüdisch-hellenistischen Literatur, in: Pseudepigrapha I, Entretiens sur l’Anti-
quite Classique XVIII, Vandoeuvres - Geneve 1972, 229-308 (234); ders., Juden-
tum und Hellenismus, 21973, 241 ff.
55 Gal 2,9 vgl. l,18f. Es fällt auf, wie sehr in den Paulusbriefen die Autorität ein-
zelner Missionare, Lehrer und anderer um das Wohl der Gemeinden verdienter
Personen hervorgehoben wird vgl. 1 Kor l,12ff.; 9,5f.; 15,5ff.; 16,15ff. und über-
haupt die paulinischen Briefpräskripte und Grußlisten. Die Apostel- und sonsti-
gen Namenskataloge in den Evangelien und der Apg - bis hin zu den Frauen-
katalogen Lk 8,2ff.; Mk 15,40ff. etc. - bestätigen diese bewußte Hervorhebung
bestimmter autoritativer Führerpersönlichkeiten in den Gemeinden und wider-
sprechen der von der formgeschichtlichen Schule überbetonten anonymen Kollek-
tivität im Urchristentum. Die zahlreichen Listen deuten in der Regel zugleich
auf Rangstufen hin s. Μ. Hengel, Maria Magdalena und die Frauen als Zeugen, in:
Abraham unser Vater, Festschrift f. O. Michel zum 60. Geburtstag, AGSU 5,
1963, 243-256 (2481Γ.).
56 Beim 1. Clemensbrief fehlt im Brief selbst jeder Hinweis auf die Persönlichkeit
des Verfassers; der Autor vertritt vielmehr die römische Gemeinde und schreibt
daher in der 1. Person pluralis. Dennoch besteht kein Grund, an der Verfas-
serzuschreibung zu zweifeln, da sie schon durch Dionysios von Korinth und
Hegesipp (Euseb, h.e. 4,23,11; 4,22,1) und Irenäus, adv.haer. 3,3,3 sowie durch
den Titel bezeugt wird, der dem Brief wohl doch schon bei den Abschriften zur
Verbreitung in den Gemeinden beigefügt wurde s.u. S. 35f.
57 Natürlich gab es Ausnahmen, etwa Briefe (bzw. Traktate), bei denen nur der
Adressat, „an die Hebräer“ oder „an Diognet“, erhalten ist, aber sie waren die Aus-
 
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