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Hengel, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 3. Abhandlung): Die Evangelienüberschriften: vorgetragen am 18. Oktober 1981 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47814#0051
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Die Evangelienüberschriften

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rückhaltend gegenüber dem 4. Evangelium, in Ägypten war gerade
dieses schon früh ganz besonders beliebt. Das Markusevangelium
verlor dagegen, nachdem es von Matthäus fast ganz verarbeitet wor-
den war, sehr rasch an Bedeutung. Daß es nicht ganz verlorenging,
ist fast ein Wunder; es verdankt seine Erhaltung vornehmlich der
alten Bindung an die Autorität des Petrus. Nur das Matthäusevan-
gelium erfreute sich sehr bald nach seiner Einführung durchgehend
einer relativ gleichbleibenden Hochschätzung. Es entsprach am mei-
sten den Bedürfnissen der Kirche am Ausgang des 1. Jh.s.
6. Auf der anderen Seite kann der Ursprung des Titels εύαγγέλιον
doch nur bei dem so bald vernachlässigten 2. Evangelium zu suchen
sein. Indem Markus sein Werk mit dem Satz beginnt: άρχή τού
εύαγγελίου Ιησού Χρίστου, setzt er bereits voraus, daß die von ihm
erzählte Jesusgeschichte „frohe Botschaft von Jesus Christus“ ist.
Sein Sprachgebrauch von „εύαγγέλιον“ unterscheidet sich damit
schwerpunktmäßig von dem des Paulus, bei dem die Jesusgeschichte
noch keine wesentliche Rolle spielt. Es wäre zu fragen, ob dieses
von Paulus etwas abweichende, untrennbar mit der Erzählung von
Jesusgeschichten verbundene Verständnis von εύαγγέλιον nicht viel-
leicht auf petrinische Wurzeln zurückgehen könnte und in einem ge-
wissen Gegensatz zum jüdischen Heilsgeschehen von Exodus und Ge-
setzgebung steht, das ja ebenfalls als Geschichtsbericht erzählt wurde.
Eben darum bedurfte die alttestamentliche Lesung im Gottesdienst,
gewissermaßen als Supplement, des Hinweises auf die Erfüllung, d.h.
des mündlichen Vortrags und später der Lesung von Jesuserzählung112.
7. Markus hat damit zugleich die literarische „Gattung des Evan-
geliums“ begründet, die als ein Sonderfall in den sehr weiten Be-
reich der antiken „Biographie“ hineingehört. Als schriftgewordenes
εύαγγέλιον Ιησού Χριστού stellte sein Werk für die Gemeinden, die
bisher vorwiegend auf mündliche Jesustradition angewiesen waren,
eine revolutionäre Neuerung dar. Daher erscheint es gerade bei ihm
als unwahrscheinlich, daß es am Anfang zunächst anonym verbreitet
wurde. Die Empfänger in den anderen Gemeinden wollten doch
wissen, ob es von einer vertrauenswürdigen Autorität stammte, zu-
mal, wenn es sich von der eigenen örtlichen, mündlichen Tradition
unterschied. Darum erscheint es als emstzunehmende Möglichkeit,
daß jene Instanz, die das vermutlich im Krisenjahr 69 in Rom ent-

112

S. dazu Μ. Hengel, Probleme des Markusevangeliums, in: P. Stuhlmacher (Hg.),
Das Evangelium und die Evangelien, WUNT 29, 1983, 221-265 (260-265).
 
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