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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1985, 3. Abhandlung): Zeit und Geschichte bei Augustin: vorgetragen am 14. Juli 1984 — Heidelberg: Winter, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.47817#0018
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Ernst A. Schmidt

Demgegenüber werde ich zu zeigen haben, daß Augustins sog. psy-
chologischer Zeitbegriff, den ich personale Zeit nenne, die physi-
kalische Zeit, nämlich die Zeit der Kreatur und Kreatur Zeit, de facto
und systematisch voraussetzt. Diese Auseinandersetzung mit
Duchrow bildet einen zweiten Strang der Untersuchung. Sie wird
immer erkennen lassen, daß ich seinen Aufsatz für den bedeutendsten
Beitrag der letzten Jahrzehnte zum Zeitproblem bei Augustin halte
und daß sowohl seine von mir bestrittene Diagnose wie seine doxogra-
phische Beschreibung und Herleitung der Gedankenelemente Augu-
stins eine wichtige Voraussetzung für mein Unternehmen bilden. Eine
weitere Voraussetzung ist die Leistung der Gelehrten, die uns die
Bekenntnisse als ein einheitliches Ganzes im Sinn eines geschlossenen
neuartigen theologisch-literarischen Kunstwerks zu sehen gelehrt
haben14. Ich frage also nicht nach Augustins Zeitverständnis15, son-
reichelehre, S. 305 mit Anm. 469), daß „der menschliche Jesus [... ] nur ein Sonder-
fall der Praedestination“ und die Christologie „bei Augustin an diesem Punkt
schwach ausgebaut“ sei. In der Tat besagt der von Duchrow angeführte Beleg für
heilsbegründende Vergangenheit (Sog. psycholog. Zeitbegriff A.s, Anm. 31): „Hic
demonstratus est antiquis sanctis, ut ita ipsi per fidem futurae passionis eius, sicut
nos per fidem praeteritae, salvi fierent“ (conf. 10, 43, 68) gerade das Gegenteil,
indem der Zeitcharakter der Menschwerdung Christi, seine Vergangenheit oder
Zukünftigkeit, für das Faktum der Erlösung unerheblich ist und die Geschichtszeit
Jesu nicht Heilszeit begründet. Wenn Duchrow, Zweireichelehre, S. 238f. die Chri-
stologie mit dem Postulat („Es versteht sich seit vera relig. 50 von selbst“) retten
will, „daß die alttestamentliche Geschichte nur verheißendes Bild des kommenden
geistigen Gottesvolkes ist“, stellt sich die Frage, ob ein heilsgeschichtliches Kon-
zept, das mit typologischer Exegese des Alten Testaments arbeitet, nicht die Ein-
heit der Weltgeschichte gefährdet. - Vgl. dazu u. S. 105.
14 Das wichtigste Werk in dieser Hinsicht ist das Buch von Georg Nicolaus Knauer,
Psalmenzitate in Augustins Konfessionen, Göttingen 1955, eine nach Methode,
Beobachtungskraft, Interpretationskunst und Gelehrsamkeit gleich beein-
druckende Untersuchung. Vgl. auch den langen Aufsatz von Wolf Steidle, Augu-
stins Confessiones als Buch (Gesamtkonzeption und Aufbau). In: G. Wirth u. a.
(edd.), Romanitas - Christianitas (FS J. Straub), Berlin-New York 1982, S. 436-527,
eine Arbeit, die man nicht ohne einigen Nutzen lesen wird. Steidles Zustimmung
zu Knauers Ergebnissen leuchtet ein. O’Connell’s (St. A.’s Confessions) Programm,
die Einheit der Confessiones als die einer plotinischen Anthropologie zu verstehen
(vgl. bes. S. VII und S. 22), scheitert an der Differenz fundamentaler plotinischer
und augustinischer Lehrstücke.
15 Die Frage nach Augustins Zeitverständnis in anderen Werken ist natürlich legitim.
Boros, Temporalite chez A., ist auch darin ein treuer Nachfolger Heideggers, daß er
die Predigten und Psalmenauslegungen Augustins für dessen philosophische
Werke par excellence erklärt. Vgl. Heidegger, Sein und Zeit, S. 235, Anm. 1: „Daher
ist von seinen (sc. Kierkegaards) ,erbaulichen‘ Schriften philosophisch mehr zu 1er-
 
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