Zeit und Geschichte bei Augustin
17
dern nach der Zeitlehre der Confessiones. Das schließt natürlich weder
die Kontrolle durch andere Werke Augustins noch durch die
Geschichte des antiken Nachdenkens über Zeit aus.
2. Kapitel
Die Hauptstücke der augustinischen Zeitlehre (Analyse und
Doxographie)
Die Frage Augustins, was Zeit sei, wird von zwei Grundvoraussetzun-
gen und ihren Denkschwierigkeiten geleitet, nämlich daß Zeit sei -
von den „tria genera quaestionum, an sit, quid sit, quäle sit“ (conf. 10,
10,17) stellt Augustin die erste „quaestio“, ob Zeit sei, gerade nicht16 -
und daß sie Ausdehnung besitze. Beides war in der Tradition vorgege-
ben, aber auch dem alltäglichen Umgang mit Zeit selbstverständlich:
wenn es Zeit gibt - und es gibt natürlich Zeit: dieses unbefragte Wissen
geht dem Schöpfungsglauben (Gott der Schöpfer der Zeit) voraus -,
muß sie sein, und wenn man sie messen (oder mit ihr messen) oder
von einer bestimmten Zeit sagen kann, sie sei kurz oder lang, muß sie
Ausdehnung haben17. Darüber hinaus hat Augustin seine Zeitabhand-
lung mit der Erkenntnis exponiert, daß Gott die Zeit geschaffen habe
(conf. 11,13,15; 11,14,17); Zeit hat also ihr Sein als Geschöpf Gottes18.
Die Überwindung der mit diesen Voraussetzungen verbundenen
Schwierigkeiten fuhrt zu Augustins Zeitlehre. Die beiden Schwierig-
keiten ergänzen sich in der Weise, daß das Problem, wie das Sein der
Zeit zu denken sei, der Zukunft und der Vergangenheit, die Aus-
nen als von den theoretischen“ sowie (mündlich 1950/51 zu Pfarrer Schachtschnei-
der, einem Freund meines Vaters): „Lesen Sie Luther den Prediger“ (um seine
Theologie zu verstehen). Boros versucht allerdings nicht, das Zeitverständnis der
augustinischen Predigten und Psalmenauslegungen unabhängig von der Zeit-
abhandlung in conf. 11 und gegebenenfalls als Alternative zu erschließen, sondern
er benutzt dieses Buch wie alle anderen Texte als ungeschiedene Fundorte für
Zitate. Schon Lechner, Idee und Zeit bei A., S. 120 hat zu Recht den fehlenden
philosophischen Sachzusammenhang der isolierten und wehrlos gemachten Zitate
bei Boros kritisiert.
16 Duchrow, Sog. psycholog. Zeitbegriff A.s, S. 270 formuliert mißverständlich: Augu-
stin „fragt [... ] nach dem Sein der Zeit (,quid est‘ und ,quomodo est tempus‘; conf.
XI, 17-26)“; richtiger wäre: Augustin fragt nach dem Wesen der Zeit.
17 Vgl. Moreau, Temps et creation selon A., S. 282: „L’experience psychologique de la
duree“.
18 Vgl. dazu u. S. 24ff.; S. 55.
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dern nach der Zeitlehre der Confessiones. Das schließt natürlich weder
die Kontrolle durch andere Werke Augustins noch durch die
Geschichte des antiken Nachdenkens über Zeit aus.
2. Kapitel
Die Hauptstücke der augustinischen Zeitlehre (Analyse und
Doxographie)
Die Frage Augustins, was Zeit sei, wird von zwei Grundvoraussetzun-
gen und ihren Denkschwierigkeiten geleitet, nämlich daß Zeit sei -
von den „tria genera quaestionum, an sit, quid sit, quäle sit“ (conf. 10,
10,17) stellt Augustin die erste „quaestio“, ob Zeit sei, gerade nicht16 -
und daß sie Ausdehnung besitze. Beides war in der Tradition vorgege-
ben, aber auch dem alltäglichen Umgang mit Zeit selbstverständlich:
wenn es Zeit gibt - und es gibt natürlich Zeit: dieses unbefragte Wissen
geht dem Schöpfungsglauben (Gott der Schöpfer der Zeit) voraus -,
muß sie sein, und wenn man sie messen (oder mit ihr messen) oder
von einer bestimmten Zeit sagen kann, sie sei kurz oder lang, muß sie
Ausdehnung haben17. Darüber hinaus hat Augustin seine Zeitabhand-
lung mit der Erkenntnis exponiert, daß Gott die Zeit geschaffen habe
(conf. 11,13,15; 11,14,17); Zeit hat also ihr Sein als Geschöpf Gottes18.
Die Überwindung der mit diesen Voraussetzungen verbundenen
Schwierigkeiten fuhrt zu Augustins Zeitlehre. Die beiden Schwierig-
keiten ergänzen sich in der Weise, daß das Problem, wie das Sein der
Zeit zu denken sei, der Zukunft und der Vergangenheit, die Aus-
nen als von den theoretischen“ sowie (mündlich 1950/51 zu Pfarrer Schachtschnei-
der, einem Freund meines Vaters): „Lesen Sie Luther den Prediger“ (um seine
Theologie zu verstehen). Boros versucht allerdings nicht, das Zeitverständnis der
augustinischen Predigten und Psalmenauslegungen unabhängig von der Zeit-
abhandlung in conf. 11 und gegebenenfalls als Alternative zu erschließen, sondern
er benutzt dieses Buch wie alle anderen Texte als ungeschiedene Fundorte für
Zitate. Schon Lechner, Idee und Zeit bei A., S. 120 hat zu Recht den fehlenden
philosophischen Sachzusammenhang der isolierten und wehrlos gemachten Zitate
bei Boros kritisiert.
16 Duchrow, Sog. psycholog. Zeitbegriff A.s, S. 270 formuliert mißverständlich: Augu-
stin „fragt [... ] nach dem Sein der Zeit (,quid est‘ und ,quomodo est tempus‘; conf.
XI, 17-26)“; richtiger wäre: Augustin fragt nach dem Wesen der Zeit.
17 Vgl. Moreau, Temps et creation selon A., S. 282: „L’experience psychologique de la
duree“.
18 Vgl. dazu u. S. 24ff.; S. 55.