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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1985, 3. Abhandlung): Zeit und Geschichte bei Augustin: vorgetragen am 14. Juli 1984 — Heidelberg: Winter, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.47817#0025
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Zeit und Geschichte bei Augustin

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ker (Aristoteles) gegen einen anderen (Gregor) ausgespielt, sondern
Charakter und Ort der Denkelemente selbst verdeutlicht werden.
Augustin steht in seiner Zeitmeditation nicht in Auseinandersetzung
mit großen philosophischen Entwürfen, Systemen, Denkanstrengun-
gen, sondern stellt seine Überlegungen von einfachen aus dem
ursprünglichen Denk- und Schulzusammenhang gelösten Schemata
und doxographischen Elementen her an, die ihm die rhetorische Bil-
dungstradition vermittelt hatte. Darauf hat bereits Duchrow im
Zusammenhang mit Augustins Reflexion über die Zeitmessung hin-
gewiesen3'. Zu den nacharistotelischen, aber letztlich auf Aristoteles
zurückgehenden Lehrstücken, deren sich Augustin bediente, den
Definitionen der Zeit als eines öiaovripa oder einer ötaavaaiq (zumal
Stoa und Neuplatonismus)36, der Verbindung der Zeit mit der Seele
(Aristoteles, Stoa, Plotin), traten im Zusammenhang des von uns
betrachteten ersten Hauptstückes seiner Lehre das grammatische
35 Vgl. dazu u. S. 30f.
36 Auch hier brauchen wir weder große Autoren - Basilius von Caesarea (so Callahan;
vgl. o. Anm. 34) gegen Plotins Schrift Ilepi aiwvot; xai /povov (so Beierwaltes,
comm. Plotin. enn. III 7, S. 266; vgl. jedoch S. 291, wo er Callahan folgt) - noch
Schulen gegeneinander auszuspielen: öiaorripa, öiacnaou; in Zeitdefinitionen war
längst zur verfügbaren Formel im Lehrbetrieb geworden und trug dort nicht mehr
systematischen Stellenwert in einem Denkprozeß oder schulmäßige Färbung an
sich. Vgl. dazu auch die Belege bei Beierwaltes, comm. Plotin. enn. III7, S. 219-221
und S. 227 sowie Dox. Gr., p. 318 a 5 und b 7: öiaavr] pa-Definition Platon zuge-
schrieben. Augustin selbst bestätigt diesen Sachverhalt in allgemeiner Form in
epist. 118,2,10 (CSEL 34, ed. Al. Goldbacher, p. 674,25 - 675,2; angeführt bei
Brown, Augustinus, S. 30): vertraut nur „mit den Lehren griechischer Philosophen,
oder eher noch mit kleinen Bröckchen dieser Lehren („dogmatum particulas“), die
er hier und da aus den lateinischen Dialogen (Ciceros) aufgelesen hat, statt in den
griechischen Werken der Autoren selbst ihren vollständigen Zusammenhang zu
studieren“. - Vgl. auch Anm. 45. - O’Daly, Distentio, S. 265f. lehnt jeden Zusam-
menhang zwischen Augustins „distentio“ und öracrcripa in griechischen Zeitdefini-
tionen ab. Das ist die zu weit gehende Folgerung aus diesen richtigen Ausgangs-
beobachtungen: 1. Augustin übersetzt kaum aus einer griechischen Zeitdiskussion
(er benutzt vielmehr doxographisches Material). 2. „distentio“ bekommt bei Augu-
stin den Sinn der zerstreuenden und zersplitternden Vielbeschäftigtheit (vgl. dazu
u. S. 43f. mit Anm. 74). Die Herleitung dieser Bedeutung ist bei O’Daly überzeu-
gend; vgl. Thes. 1. L., s.v. (wo merkwürdigerweise kein Beleg aus conf. angeführt ist,
weder für „Zerstreuung“ noch für „Ausdehnung“; Thes. 1. L. übergeht insgesamt
die Bedeutung zeitlicher Ausdehnung bei „distentio“, führt aber zu „distendere“
Belege „de spatio temporali“ an, z.B. aus Cyprian). 3. Augustin konnte mit dieser
Bedeutung nicht abrupt in conf. 11,29, 39 aufwarten, wenn zuvor „distentio“ immer
nur „Ausdehnung“ hieß.
 
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