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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1985, 3. Abhandlung): Zeit und Geschichte bei Augustin: vorgetragen am 14. Juli 1984 — Heidelberg: Winter, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.47817#0080
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Ernst A. Schmidt

bedeutet39 und Augustin für „Staat“ andere termini hat, nämlich „res
publica“, „Imperium“ und „regnum“40.
2. Weil Augustin irdische Staaten „civitas terrena“ nennen kann, hält
man „civitas“ für die Vokabel „Staat“, ohne zu beachten, daß nicht alle
Prädikationen Identitätsaussagen sind und etwa das Urteil, ein Bruder
sei ein Freund, nicht auf der Gleichsetzung der Begriffe „Bruder“ und
„Freund“ beruht. Die Nichtidentität von „Staat“ und „civitas“ wird
39 Vgl. Kamlah, Christentum u. Geschichtlichkeit, S. 155ff.; F. Kolb, Die Stadt im
Altertum, München 1984, S. 170ff., bes. S. 183. - Außerhalb der allegorischen Rede
von den beiden „civitates“ heißt „civitas“ in civ. meist „Stadt“; vgl. z. B. civ. 1,4 (I, p.
9,27) über Troja und Feindesbrauch bei der Zerstörung von Städten („civitates“);
civ. 1,31 (I, p. 48,11) über Karthago; civ. 1,36 (I, p. 52,7 sq.): „illa civitas [...] vel ad
eius imperium provinciae pertinentes“; civ. 4,2 (I, p. 147,7 sq. 18); civ. 3,1 (I, p. 98,
13-18: „quod ad Romam pertinet Romanumque imperium [...], id est ad ipsam
proprie civitatem et quaecumque illi terrarum [... ] subiectae sunt, [... ] cum iam ad
eius quasi corpus rei publicae pertinerent“ („civitas“ (Stadt) Rom und unterworfene
Länder bilden die römische „res publica“ (Staat)) über die Stadt Rom und ihr Impe-
rium. Doch heißt „civitas“ außerhalb der von der Bibelsprache geprägten Rede von
„civitas Dei“ und „terrena“ auch oft „Bürgerschaft“ im Sinne des kollektiven Korpus
eines Staates; vgl. z. B. civ. 2,14 (I, p. 69,12; p. 70,16); civ. 2,16 (I, p. 72,6 sqq.: „regen-
dae civitati“, „stantibus urbibus res publicas perire“); civ. 2,21 (I, p. 80,2 sqq.): „in
civitate concordiam [... ] Optimum omni in re publica vinculum incolumitatis“.
40 Vgl. z. B. civ. 1,30; 1,33; 2,21; 4,4; 19,21 und Suerbaum, Staatsbegriff, S. 170-220.
Suerbaum selbst zieht aus seinen Materialien allerdings nicht den Schluß, daß „civi-
tas“ nicht zur augustinischen Staatsterminologie gehöre. Bes. interessant ist seine
Beobachtung, daß Augustin „in der Regel“ „den Gottesstaat“ (gemeint ist: „civitas
Dei“) nicht als „res publica“ bezeichnet (S. 182). Die beiden einzigen Ausnahmen
(civ. 2,19; I, p. 77,19-24 und civ. 2,2; I, p. 83, 8-15) erklären sich aus der Gegenüber-
stellung der himmlischen Engelsgemeinschaft und der von Christus begründeten
„civitas“ mit irdischen Staaten („res publica“), so daß „res publica“ für „civitas Dei“
metaphorisch gebraucht ist (Suerbaum, S. 185-187). Suerbaums (S. 187f.) einzige
Belegstelle für „civitas terrena“ als „res publica“ (civ. 22,6; II, p. 564, 20-26) ist zu
streichen, da sie nur die Fügung „terrena res publica“ (irdischer Staat; so auch
Enarr. in ps. 61,8) enthält und die Gleichsetzung mit „civitas terrena“ eben auf dem
Vorurteil beruht, diese letztere bedeute „irdischer Staat“, („civitas“ im Kontext
bedeutet, im vorangegangenen Cicerozitat und im Anschluß an dieses, „Bürger-
schaft“; im historischen Exempel - Sagunt - „Stadt“ und „Bürgerschaft“, wie die
Junktur „Universa civitas“ erkennen läßt: es ist unsinnig, beim Untergang von Sa-
gunt den „gesamten Staat“ und nicht die „gesamte Bürgerschaft“ zu verstehen).
Suerbaums (S. 188) Beobachtung, „daß Augustin die Bezeichnung ,res publica' für
die beiden von ihm behandelten spirituellen staatlichen Gemeinschaften geflis-
sentlich meidet“, ist anders zu beschreiben: Augustin nennt seine beiden ,Staaten'
(„civitas“) nicht ,Staaten' („res publica“), weil sie keine sind. Auch die Rede von
„terrena patria“ (opp.: „superna patria“) macht aus der „civitas terrena“ keinen Staat
(civ. 1,24; I, p. 39, 25 u. 31).
 
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