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Ernst A. Schmidt
zwei unabhängig nebeneinander verlaufende Prozesse angesetzt, bzw.,
bei Bloch, neben dem teleologischen Geschichtsprozeß des Christus-
reichs eine zu keinem Ganzen sich zusammenfugende Vielheit von
einzelnen Lebensläufen irdischer Staaten.
Wenn Bloch vom „antithetischen Heilsprozeß der Historie“ (S.
585) oder Bubner jetzt von „Heilsgeschichte als Interaktion zweier
Sphären“93 spricht, so ist das der Versuch, Heilsprozeß und seine Anti-
these, den irdischen Kreislauf der Verdammten, zur Einheit zu verbin-
den, ohne daß man erkennen könnte, wie sich diese Einheit herstellen,
wie das Prinzip der „civitas Dei“ (kämpfend?) sei es mit der Geschichte
irdischer Staaten, sei es mit dem Prinzip der Selbstliebe geschichts-
produktiv interagieren wollte. Meint man jedoch, Augustin wolle alles
Geschehen dieser Weltzeit auf die beiden Prinzipien Gottes- und
Selbstliebe zurückfuhren, so hat man zwar „De civitate Dei“ erfaßt,
aber Weltgeschichte und Heilsgeschichte und Geschichtsphilosophie
verabschiedet, es sei denn, man wolle die Auffassung vertreten, das
eben sei Geschichtsphilosophie, in einem Grundmuster menschlicher
Orientierung alle Geschichte als Geschichte aufzuheben: „utrumque
[... ] hominum genus (sc. contemptores Dei - cultores Dei) terris num-
quam defuisse credendum est“ (civ. 16,10; II, p. 141,17-19).
Auch die (von Bloch allerdings wohl nicht intendierte) anti-
thetische Periodisierung der Weltgeschichte in Systematisierung des
Goethewortes würde an Augustin scheitern. Denn weder seine aus der
Tradition partiell übernommene Einteilung der Weltzeit in sechs
Lebensalterperioden in Analogie zum menschlichen Leben noch
seine Darstellung des Laufs der beiden „civitates“ durch die Weltzeit
von Adam an, die von jener traditionellen Periodisierung nur zum Teil
gegliedert und strukturiert wird94, lassen eine solche Antithetik erken-
nen. Daher stellt Scholz zu Recht fest95: „Eine Weltgeschichte, die
etwas hervorbrächte, eine periodische Weltgeschichte“, hat Augustin
„nicht gekannt“.
Allein die vorsichtige und abschwächende Formulierung von
Campenhausens, der von einem „Neben- und Widereinander“96 des
93 Bubner, Geschichtsprozesse, S. 74.
94 Vgl. dazu S. 98ff.
95 Scholz, Glaube und Unglaube, S. 154, Reuter, A.-Studien, S. 95 zitierend.
96 Von Campenhausen, Augustin, S. 199 (das „Widereinander“ offenbar nicht als
Krieg und Kampf im eigentlichen Sinn gemeint, sondern als das Verhältnis gegen-
sätzlicher Prinzipien). Ähnlich Bubner, Geschichtsprozesse, S. 73 f. wenn er den
Ernst A. Schmidt
zwei unabhängig nebeneinander verlaufende Prozesse angesetzt, bzw.,
bei Bloch, neben dem teleologischen Geschichtsprozeß des Christus-
reichs eine zu keinem Ganzen sich zusammenfugende Vielheit von
einzelnen Lebensläufen irdischer Staaten.
Wenn Bloch vom „antithetischen Heilsprozeß der Historie“ (S.
585) oder Bubner jetzt von „Heilsgeschichte als Interaktion zweier
Sphären“93 spricht, so ist das der Versuch, Heilsprozeß und seine Anti-
these, den irdischen Kreislauf der Verdammten, zur Einheit zu verbin-
den, ohne daß man erkennen könnte, wie sich diese Einheit herstellen,
wie das Prinzip der „civitas Dei“ (kämpfend?) sei es mit der Geschichte
irdischer Staaten, sei es mit dem Prinzip der Selbstliebe geschichts-
produktiv interagieren wollte. Meint man jedoch, Augustin wolle alles
Geschehen dieser Weltzeit auf die beiden Prinzipien Gottes- und
Selbstliebe zurückfuhren, so hat man zwar „De civitate Dei“ erfaßt,
aber Weltgeschichte und Heilsgeschichte und Geschichtsphilosophie
verabschiedet, es sei denn, man wolle die Auffassung vertreten, das
eben sei Geschichtsphilosophie, in einem Grundmuster menschlicher
Orientierung alle Geschichte als Geschichte aufzuheben: „utrumque
[... ] hominum genus (sc. contemptores Dei - cultores Dei) terris num-
quam defuisse credendum est“ (civ. 16,10; II, p. 141,17-19).
Auch die (von Bloch allerdings wohl nicht intendierte) anti-
thetische Periodisierung der Weltgeschichte in Systematisierung des
Goethewortes würde an Augustin scheitern. Denn weder seine aus der
Tradition partiell übernommene Einteilung der Weltzeit in sechs
Lebensalterperioden in Analogie zum menschlichen Leben noch
seine Darstellung des Laufs der beiden „civitates“ durch die Weltzeit
von Adam an, die von jener traditionellen Periodisierung nur zum Teil
gegliedert und strukturiert wird94, lassen eine solche Antithetik erken-
nen. Daher stellt Scholz zu Recht fest95: „Eine Weltgeschichte, die
etwas hervorbrächte, eine periodische Weltgeschichte“, hat Augustin
„nicht gekannt“.
Allein die vorsichtige und abschwächende Formulierung von
Campenhausens, der von einem „Neben- und Widereinander“96 des
93 Bubner, Geschichtsprozesse, S. 74.
94 Vgl. dazu S. 98ff.
95 Scholz, Glaube und Unglaube, S. 154, Reuter, A.-Studien, S. 95 zitierend.
96 Von Campenhausen, Augustin, S. 199 (das „Widereinander“ offenbar nicht als
Krieg und Kampf im eigentlichen Sinn gemeint, sondern als das Verhältnis gegen-
sätzlicher Prinzipien). Ähnlich Bubner, Geschichtsprozesse, S. 73 f. wenn er den