Metadaten

Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1985, 3. Abhandlung): Zeit und Geschichte bei Augustin: vorgetragen am 14. Juli 1984 — Heidelberg: Winter, 1985

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47817#0097
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zeit und Geschichte bei Augustin

95

noch der Prozeß der Geschichte selbst erklärt. Oder aber der Kampf
geht unentschieden aus; dann ist die Einheit der Geschichte als Ziel-
geschichte und der Prozeßcharakter der einen Geschichte dahin, aber
als Verflechtung zweier Prinzipien immerhin etwas Ähnliches wie eine
einzige Weltgeschichte gegeben.
Es ist nun, angesichts des Jüngsten Gerichts, von Erlösung und
Verdammung, ganz evident, daß bei Augustin allenfalls nach dem
zweiten Modell Ausschau zu halten wäre - mit, wie gezeigt, ebenfalls
negativem Ergebnis. In der Forschung begegnet aber nur die erste Vor-
stellung, indem offenbar die Begriffe Kampf und Sieg die beiden „civi-
tates“ (als wenn ,der Sieg der civitas Dei‘ die Besiegung der „civitas ter-
rena“ in einem Krieg wäre und Gott der weltlichen Geschichte
bedürfte, um, in Überwindung eines Gegenprinzips, zu sich selbst zu
kommen) mit dem einen Ziel der Geschichte vermitteln und die Heils-
geschichte als Prozeß einer Weltgeschichte begründen sollen. Diese
manichäisch-chiliastisch-hegelianische Konstruktion liegt auch bei
Bloch vor, wenn er vom „antithetischen Heilsprozeß“ der Geschichte
bei Augustin spricht.
Von Campenhausen (Augustin, S. 199: „doppelter geschichtlicher
Verlauft) und Löwith (Weltgeschichte, S. 181 (154): „zum ersten Male
eine Art Universalgeschichte als einen zweckvollen procursus von
Anbeginn bis zum Ende [...]. Weltgeschichtliche Geschehnisse und
überweltliches Ziel sind in dieser Konstruktion prinzipiell getrennt
und nur durch die peregrinatio der Gläubigen in hocsaeculo miteinan-
der verbunden“) haben allerdings die Erkenntnis zugelassen, daß ent-
weder das Konzept der Heilsgeschichte die Weltgeschichte aufhebt
(von Campenhausen)99 oder aber die Heilsgeschichte gar nichts mit
der Weltgeschichte zu tun hat (Löwith), d. h. daß einerseits Weltge-
schichte das Heilsgeschehen als nichtgeschichtlich nicht integriert und
es IteAsgeschichte, Heil als Geschichte, bei Augustin nicht gibt und
andererseits die Weltgeschichte „keinen eigenen Sinn“ hat100.
Kann es da ein sinnvoller Kompromiß sein, Augustin zwei
Geschichtsauffassungen zuzuweisen, eine neue christliche für das
Gottesvolk (Ziel-, Heilsgeschichte) und eine traditionelle antike für die
Geschichte der Heiden und Gottlosen und ihrer Staaten - eine
99 Das ist auch die uneingestandene Konsequenz der folgenden Formulierung des
Klappentexts zum 2. Bd. der Übersetzung W. Thimmes von „De civitate Dei“ in der
Taschenbuchausgabe (dtv): „Interpretation der Geschichte als Heils- und Unheils-
geschichte“.
100 Löwith, Weltgeschichte, S. 180 (153), vgl. S. 195 (166).
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften