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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1985, 3. Abhandlung): Zeit und Geschichte bei Augustin: vorgetragen am 14. Juli 1984 — Heidelberg: Winter, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.47817#0102
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Ernst A. Schmidt

über seine Zeit hinaus bis vor die transzendenten „fmes“ der beiden
„civitates“, als er die Berechnungen und die Berechenbarkeit sowohl
des schon erreichten Endes der Verfolgungen als auch des Zeitpunktes
des Antichrist ablehnt (civ. 18,52-54). In diesem Buch fehlt jegliche
Binnengliederung nach den „articuli temporis“ des Lebensalter-
schemas - also David, Babylonische Gefangenschaft, Christus auch
wird keine der Altersstufen erwähnt. Von civ. 22,30 abgesehen (dort
im Zusammenhang mit der Schöpfungswoche) fehlt der Ausdruck
„sexta aetas“ in „De civitate Dei“, und von „senectus“ ist ebensowenig
je die Rede.
Aus diesem Überblick (der im folgenden um Detailinformationen
zu ergänzen ist) lassen sich einige Einsichten ableiten. Der Lebens-
altervergleich gliedert den Lauf nur der „civitas Dei“, nicht auch der
„civitas terrena“, geschweige denn einer die beiden „civitates“ umfas-
senden Universalgeschichte (vgl. das Fehlen des Schemas in civ. 18).
Auch in Augustins expliziten Äußerungen in civ. 16,43 sind die
Lebensstufen nur im Blick auf Israel, das Volk Gottes, und von daher
auf den „procursus“ der „civitas Dei“ verstanden.
Das traditionelle Sechs-Epochen-Schema zieht Augustin nur teil-
weise, nämlich nur für die beiden Bücher XV und XVI und die ersten
drei Epochen, heran, berücksichtigt es aber im folgenden nicht weiter.
Es spielt also für die Strukturierung seiner Darstellung des „procursus“
der beiden „civitates“ keine entscheidende Rolle; er hat das überkom-
mene Lehrstück jedenfalls nicht weiter entwickelt, sondern eher
zurückgedrängt.
Augustin konnte mit der Vorstellung des reifen Mannesalters („gra-
vitas“) für die Epoche von der Babylonischen Gefangenschaft bis zu
Christus nichts anfangen, nachdem die mit David begonnene „iuven-
tus“, die Zeit der Propheten, beendet war (vgl. civ. 16,43; 17,1).
Vollends fehlt das „Greisenalter“ („senectus“) der „civitas Dei“
(und damit auch von Welt oder Menschheit). Mit Maier, A. u. Rom, S.
175 möchte ich das als Konsequenz von Augustins Ablehnung des
Chiliasmus verstehen, nicht im Sinn einer selbstauferlegten Vermei-
dung (dazu ist das Schema zu beiläufig berührt; vgl. unten), sondern
als Fehlen des Beweggrundes, sich die christliche Zeit als „senectus“
mit Tod innerhalb bestimmter Grenzen vorzustellen.
Der Lebensaltervergleich - das wird infolge der Fixierung auf ein
weltgeschichtliches Epochen- und Prozeßmodell nicht beachtet - ist in
dem ganzen Werk „De civitate Dei“ tatsächlich nur an einer einzigen
Stelle belegt, nämlich im Schlußkapitel von Buch XVI. Anlaß ist der
 
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