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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1985, 3. Abhandlung): Zeit und Geschichte bei Augustin: vorgetragen am 14. Juli 1984 — Heidelberg: Winter, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.47817#0103
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Zeit und Geschichte bei Augustin

101

Beginn der Königsherrschaft Davids, „cuius maxime Christus est dic-
tus filius. In quo articulus quidam factus est et exordium quodam
modo iuventutis populi Dei“ (civ. 16,43). Dieser überaus zurückhal-
tende Rekurs („articulus quidam“-, „exordium quodam modo iuventu-
tis“) auf ein Element des Schemas läßt Augustin begründend auf die
drei vorangegangenen Epochen als die Lebensstufen „infantia“, „pue-
ritia“ und „adulescentia“ zurückgreifen114. Seine Erklärung der drei
Lebensalter ist eine knappe Rekapitulation von De gen. contra
Manich. 1,35-37. In der Darstellung der entsprechenden Epochen
selbst in civ. 15-16 ist sie nicht wiederzufinden, oder sie widerspricht
dieser sogar. Denn die Sintflut kann man nach Buch XV nicht in Ana-
logie zum Vergessen („oblivio“) verstehen, das die „prima aetas“ unter-
gehen läßt („demergit“); sie ertränkt nicht das erste Alter der Mensch-
heit, sondern dessen letzte Generationen, sofern diese Bürger der
„civitas terrena“ waren. Geradezu abgeschmackt erscheint die Begrün-
dung der „pueritia“ (von Noah an) gegenüber der „infantia“: nach der
Zeit des Nicht-Sprechen-Könnens („fari non potest“: „infantia“) sei das
Knabenalter die Zeit der Sprache, wie dies auch von Noah an gelte,
welche Epoche man mit der hebräischen Sprache vorfinde (in De gen.
contra Manich. 1,36 fehlt dieser Gedanke; es heißt dort nur, der Abend
dieses Zeitalters sei die Verwirrung der Sprache gewesen). Abgesehen
davon, daß alle menschlichen Lebensstufen nach dem Säuglingsalter
durch Sprache gekennzeichnet sind und nicht nur das Knabenalter,
abgesehen auch davon, daß Heber, von dem die hebräische Sprache
ihren Namen hat, erst der sechsten Generation nach Noah angehört
und zur Zeit des Turmbaus zu Babel und der babylonischen Sprach-
verwirrung lebte (vgl. civ. 16,11), also allenfalls dieses Ereignis zur
Epochenzäsur hätte machen können, weiß Augustin auch durchaus,
daß die Menschheit von ihrer Erschaffung an Sprache hatte, und er
sagt auch ausdrücklich, daß die Menschen als erste und gemeinsame
Ursprache eben die hebräische hatten, die erst dann einen Namen, den
Hebers, erhielt, als es viele Sprachen gab: „[...] zu der Zeit, als alle
Menschen noch eine Sprache sprachen, [...]- denn auch vor der Sint-
flut gab es nur eine Sprache [...]“ (civ. 16,11).
Befremden muß auch die Erklärung der mit Abraham beginnen-
den Aduleszenz erregen: der Beginn dieses Lebensalters mache den
Menschen zeugungsfähig („posse generare“). Daher beginne Matthäus

114

Vgl. Kamlah, Christentum u. Geschichtlichkeit, S. 315, Anm. 709.
 
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