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Borst, Arno; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 1. Abhandlung): Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende: vorgetragen am 11. Februar 1989 — Heidelberg: Winter, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.48156#0075
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Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende

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Abbos Hauptwerk, ein Lehrbuch der kirchlichen Zeitrechnung,
entstand erst in seinen Abtjahren; mehr als zwanzig Jahre lang, von 978
bis zum Tod 1004, feilte er daran. Es häufte Tabellen voller Zahlen-
reihen und Buchstabenkombinationen, kosmologische und geometri-
sche Figuren. Dieses Lehrbuch, das seine mathematische Absicht auch
in mathematische Gestalt kleidete, erhob die Durchschaubarkeit des
lokalen Tageslaufs zur Pflicht jedes Geistlichen, die Überschaubarkeit
der historischen Jahrhunderte zum Auftrag der Kirche. Abbo berech-
nete seine Ostertafeln zurück bis zu Christi Geburt und voraus bis zum
Jahr 1595, es ging ihm also um Feststellung der Vergangenheit ebenso
wie um Offenhaltung der Zukunft.107
In den 990er Jahren machte seine bohrende Frage, an welchem
Sonntag die Adventszeit wirklich beginne, den Priestern erst klar, daß
sie die Ankunft des Herrn vorbereiten, nicht zelebrieren sollten.108
Noch kurz vor dem Tod kritisierte er als erster die bis heute geltende
ungenaue Zählung der Jahre nach Christus und das vage Zeitverständ-
nis der Historiker, das ohne Einmaleins auskam.109 Seine Mönche, die
in Fleury den heiligen Benedikt anriefen, mußten kritischer als alle
Wallfahrer fragen, in welchem Jahr des Herrn der Ordensvater das
Zeitliche gesegnet hatte. Nur so lernten seine Söhne, was ihnen die
Stunde schlug.110
Abbo fand vieles befremdlich, was sein Altersgenosse Gerbert tat.
Denn der, von Jugend auf Benediktiner, Gelehrter dazu, schien seine
Tage wie ein Opportunist zu vertun. Betrieb er mönchisch angewandte

107 Zu Abbos 'Computus vulgaris’ Valentin Rose, Verzeichnis der lateinischen
Handschriften, Bd. 1 (Die Handschriftenverzeichnisse der Kgl. Bibliothek zu
Berlin Bd. 12, 1893) S. 308-315; Vyver, Abbon S. 150-154; ergänzend
Cordoliani, Abbon S. 464-469; Alfred Cordoliani, Les manuscrits de la
bibliotheque de Berne provenant de l’abbaye de Fleury au XIe siede. Le Comput
d’Abbon, Zeitschrift für schweizerische Kirchengeschichte 52 (1958) S. 135-150;
Borst, Computus S. 27 f. Daß die 1935 von van de Vyver angekündigte kritische
Edition noch immer nicht erschienen ist, behindert die gesamte Forschung zur
Jahrtausendwende.
108 Abbo, Liber Apologeticus, in: Opera Sp. 472. Zu der von Bern wieder
aufgegriffenen Komputistik der Adventszeit Borst, Forschungsbericht S.
389-391.
109 Dazu Vyver, Abbon S. 154-156; ergänzend Cordoliani, Abbon S. 465-468, mit
Edition des ersten der beiden Briefe S. 474-480.
110 Abbo, Brief an zwei Mönche von Fleury 1003, hg. von Cordoliani, Abbon S. 479.
Zum komputistischen Problem von Benedikts Todesdatum Borst, Forschungs-
bericht S. 386-388.
 
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