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Arno Borst
Die Säkularisierung entstellte schließlich Hermanns eigenes Profil,
sogar bei seinen englischen Ordensbrüdern, die nicht an Universitäten
lehrten und noch am Messen und Rechnen festhielten. Um die Mitte
des 13. Jahrhunderts zeichnete der vielseitig gebildete, auch astrolo-
gisch interessierte Benediktiner Matthaeus Paris von St. Albans oder
einer seiner Schüler zwei Meister der Naturkunde, beide in weltlicher
Tracht, auch den zweiten nicht im Mönchshabit. Der messende Euklid
hielt Armillarsphäre und Sehrohr, der rechnende Hermannus ein
astrolabium in Händen. Er sah drein wie der alte Grieche und fungierte
neben ihm als Schutzpatron der Astrologie, die vorerst keine Hoch-
schulreife erwarb. Von Hermanns geistlichen Lehrern seit Abbo blieb
keine Spur.* * * * * 174
Die Bettelmönche näherten im 13. Jahrhundert die Wissenschaft
wieder der Volkfrömmigkeit an; doch auch sie kamen nicht auf Abbos
und Hermanns Gedanken zurück, die allergelehrtesten am allerwenig-
sten. Der deutsche Dominikaner Albertus Magnus brauchte das
Astrolab nur noch nebenbei zum Erweis des ptolemäischen Weltbilds,
als er es um 1250 an der Kölner Ordenshochschule beschrieb.
Arabische Meister, auf die er sich so unbefangen wie auf griechische
stützte, lehrten zwar irrige Astrologie, aber richtige Astronomie. Die
Erde, die eine Kugel ist, ruht wirklich in der Mitte des kreisenden
Universums. Sonst „wären alle Instrumente, wie das astrolabium und
die Armillarsphäre der Astronomen, verkehrt, denn niemals könnte
diese Bewegung durch Berechnung des Sternenlaufs so gefunden
werden, wie Instrumente sie sichtbar machen.“ Albert kannte Einzel-
teile des Geräts, die Horizont- und Wendekreise, die die Ekliptik mit
Failure, Archive for History of the Exact Sciences 38 (1988) S. 307-363, hier S.
329 f. das Zitat. Zu den universitären Lehrplänen und Textsammlungen Christe
A. McMenomy, The Discipline of Astronomy in the Middle Ages (Diss. phil.
Los Angeles 1984) S. 83-139, 452-528; Turner, Museum S. 30 f. Zum
sogenannten Messahalla oben Anm. 24.
174 Dazu John T. Murdoch. Album of Science. Antiquity and the Middle Ages
(1984) S. 178 Nr. 161 (Titelbild zu dem astrologischen, Bernardus Silvestris
zugeschriebenen ‘Experimentarius’). Zur Astrologie bei Matthaeus Hans-
Eberhard Hilpert, Zu den Prophetien im Geschichtswerk des Matthaeus Paris,
DA 41 (1985) S. 175-191, hier S. 185 mit Anm. 38. Die Identifikation mit
Hermann dem Lahmen ist seit Thorndike, History Bd. 2 S. 112 f.; Haskins,
Studies S. 53 akzeptiert. Doch denkt Richard Hunt, Universität und Bildung, in:
Blüte des Mittelalters, hg. von Joan Evans (1966) S. 179-202, hier S. 198 immer
noch an Hermann von Kärnten, der das ptolemäische ■Planisphaerium' über-
setzte (oben Anm. 16).
Arno Borst
Die Säkularisierung entstellte schließlich Hermanns eigenes Profil,
sogar bei seinen englischen Ordensbrüdern, die nicht an Universitäten
lehrten und noch am Messen und Rechnen festhielten. Um die Mitte
des 13. Jahrhunderts zeichnete der vielseitig gebildete, auch astrolo-
gisch interessierte Benediktiner Matthaeus Paris von St. Albans oder
einer seiner Schüler zwei Meister der Naturkunde, beide in weltlicher
Tracht, auch den zweiten nicht im Mönchshabit. Der messende Euklid
hielt Armillarsphäre und Sehrohr, der rechnende Hermannus ein
astrolabium in Händen. Er sah drein wie der alte Grieche und fungierte
neben ihm als Schutzpatron der Astrologie, die vorerst keine Hoch-
schulreife erwarb. Von Hermanns geistlichen Lehrern seit Abbo blieb
keine Spur.* * * * * 174
Die Bettelmönche näherten im 13. Jahrhundert die Wissenschaft
wieder der Volkfrömmigkeit an; doch auch sie kamen nicht auf Abbos
und Hermanns Gedanken zurück, die allergelehrtesten am allerwenig-
sten. Der deutsche Dominikaner Albertus Magnus brauchte das
Astrolab nur noch nebenbei zum Erweis des ptolemäischen Weltbilds,
als er es um 1250 an der Kölner Ordenshochschule beschrieb.
Arabische Meister, auf die er sich so unbefangen wie auf griechische
stützte, lehrten zwar irrige Astrologie, aber richtige Astronomie. Die
Erde, die eine Kugel ist, ruht wirklich in der Mitte des kreisenden
Universums. Sonst „wären alle Instrumente, wie das astrolabium und
die Armillarsphäre der Astronomen, verkehrt, denn niemals könnte
diese Bewegung durch Berechnung des Sternenlaufs so gefunden
werden, wie Instrumente sie sichtbar machen.“ Albert kannte Einzel-
teile des Geräts, die Horizont- und Wendekreise, die die Ekliptik mit
Failure, Archive for History of the Exact Sciences 38 (1988) S. 307-363, hier S.
329 f. das Zitat. Zu den universitären Lehrplänen und Textsammlungen Christe
A. McMenomy, The Discipline of Astronomy in the Middle Ages (Diss. phil.
Los Angeles 1984) S. 83-139, 452-528; Turner, Museum S. 30 f. Zum
sogenannten Messahalla oben Anm. 24.
174 Dazu John T. Murdoch. Album of Science. Antiquity and the Middle Ages
(1984) S. 178 Nr. 161 (Titelbild zu dem astrologischen, Bernardus Silvestris
zugeschriebenen ‘Experimentarius’). Zur Astrologie bei Matthaeus Hans-
Eberhard Hilpert, Zu den Prophetien im Geschichtswerk des Matthaeus Paris,
DA 41 (1985) S. 175-191, hier S. 185 mit Anm. 38. Die Identifikation mit
Hermann dem Lahmen ist seit Thorndike, History Bd. 2 S. 112 f.; Haskins,
Studies S. 53 akzeptiert. Doch denkt Richard Hunt, Universität und Bildung, in:
Blüte des Mittelalters, hg. von Joan Evans (1966) S. 179-202, hier S. 198 immer
noch an Hermann von Kärnten, der das ptolemäische ■Planisphaerium' über-
setzte (oben Anm. 16).