Metadaten

Biser, Eugen; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1990, 1. Abhandlung): Die Bibel als Medium: zur medienkritischen Schlüsselposition der Theologie; vorgetragen am 27. Januar 1990 — Heidelberg: Winter, 1990

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48159#0033
License: Free access  - all rights reserved
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Die Bibel als Medium

23

für ihn den Tatbestand einer Chiffre des Gottesgeheimnisses erfüllt, ist
es für ihn doch zugleich vernehmbares Gotteswort, das ihm in der Schei-
telstunde seines Lebens, wie er im Galaterbrief bekennt, ins Herz ge-
sprochen wurde (1,15 f.).54 Wie je einer aus der Reihe der alttestamentli-
chen Propheten steht auch Paulus in einer Dialogbeziehung zu seinem
Gott, doch mit dem Unterschied, daß ihm nur das eine, dafür aber die
Totalität der Lebens- und Leidensgeschichte Jesu umgreifende Gottes-
wort zugesprochen ist. Was sich davon in seinem Briefwerk nieder-
schlägt, ist wiederum der hermeneutische Reflex, durch den er sich das
ihm Zugesprochene „gesagt sein läßt“, und dies mit der Folge, daß sich
Spuren der transinformativen Sprachqualitäten in seinen Aufzeichnun-
gen nach weisen lassen. Sie betreffen in erster Linie die evidenz- und
kompetenzvermittelnden Elemente der verbalen Rede. In diesen Zu-
sammenhang gehört bereits das „Ich bin gewiß“, zu dem sich der Liebes-
hymnus des Römerbriefs erhebt (8,38), nicht weniger aber auch der
Versuch des Apostels, die von Parteiungen zerrissene Gemeinde von
Korinth zum Bewußtsein einer „Allzugehörigkeit“ zu führen:
Alles gehört euch: Paulus, Apollos, Kephas, Welt, Leben, Tod, Gegenwart und Zu-
kunft; alles gehört euch! Ihr aber gehört Christus und Christus gehört Gott (IKor
3,22).
Vernehmlicher auf den Offenbarungsempfang des Apostels bezogen ist
sein Selbstzeugnis im Philipperbrief:
Nicht daß ich es schon ergriffen hätte oder gar schon vollendet wäre; doch möchte ich
es ergreifen, so wie ich von Christus Jesus ergriffen bin (3,12),
das unüberhörbar auf den zentralen Identifikationssatz des Galater-
briefs - „Ich lebe, doch nicht mehr ich: Christus lebt in mir“ (2,20) -
zurückverweist und von dort zu den drei Fragen weiterführt, mit denen
Paulus die in seinem Ostererlebnis gründende Erweckung zu einem
neuen Selbst- und Sendungsbewußtsein umreißt:
Bin ich nicht frei?
Bin ich nicht Apostel?
Habe ich nicht Jesus, unsern Herrn, gesehen?
(IKor 9,l)55

54 Näheres dazu in meiner Schrift,Paulus - Der letzte Zeuge der Auferstehung1, Regens-
burg 1981, 14-36.
55 Zu dem wiederholt angesprochenen Bekehrungserlebnis des Apostels siehe die Aus-
führungen von Otto Kuss, Paulus, 285ff.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften