Die Bibel als Medium
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für ihn den Tatbestand einer Chiffre des Gottesgeheimnisses erfüllt, ist
es für ihn doch zugleich vernehmbares Gotteswort, das ihm in der Schei-
telstunde seines Lebens, wie er im Galaterbrief bekennt, ins Herz ge-
sprochen wurde (1,15 f.).54 Wie je einer aus der Reihe der alttestamentli-
chen Propheten steht auch Paulus in einer Dialogbeziehung zu seinem
Gott, doch mit dem Unterschied, daß ihm nur das eine, dafür aber die
Totalität der Lebens- und Leidensgeschichte Jesu umgreifende Gottes-
wort zugesprochen ist. Was sich davon in seinem Briefwerk nieder-
schlägt, ist wiederum der hermeneutische Reflex, durch den er sich das
ihm Zugesprochene „gesagt sein läßt“, und dies mit der Folge, daß sich
Spuren der transinformativen Sprachqualitäten in seinen Aufzeichnun-
gen nach weisen lassen. Sie betreffen in erster Linie die evidenz- und
kompetenzvermittelnden Elemente der verbalen Rede. In diesen Zu-
sammenhang gehört bereits das „Ich bin gewiß“, zu dem sich der Liebes-
hymnus des Römerbriefs erhebt (8,38), nicht weniger aber auch der
Versuch des Apostels, die von Parteiungen zerrissene Gemeinde von
Korinth zum Bewußtsein einer „Allzugehörigkeit“ zu führen:
Alles gehört euch: Paulus, Apollos, Kephas, Welt, Leben, Tod, Gegenwart und Zu-
kunft; alles gehört euch! Ihr aber gehört Christus und Christus gehört Gott (IKor
3,22).
Vernehmlicher auf den Offenbarungsempfang des Apostels bezogen ist
sein Selbstzeugnis im Philipperbrief:
Nicht daß ich es schon ergriffen hätte oder gar schon vollendet wäre; doch möchte ich
es ergreifen, so wie ich von Christus Jesus ergriffen bin (3,12),
das unüberhörbar auf den zentralen Identifikationssatz des Galater-
briefs - „Ich lebe, doch nicht mehr ich: Christus lebt in mir“ (2,20) -
zurückverweist und von dort zu den drei Fragen weiterführt, mit denen
Paulus die in seinem Ostererlebnis gründende Erweckung zu einem
neuen Selbst- und Sendungsbewußtsein umreißt:
Bin ich nicht frei?
Bin ich nicht Apostel?
Habe ich nicht Jesus, unsern Herrn, gesehen?
(IKor 9,l)55
54 Näheres dazu in meiner Schrift,Paulus - Der letzte Zeuge der Auferstehung1, Regens-
burg 1981, 14-36.
55 Zu dem wiederholt angesprochenen Bekehrungserlebnis des Apostels siehe die Aus-
führungen von Otto Kuss, Paulus, 285ff.
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für ihn den Tatbestand einer Chiffre des Gottesgeheimnisses erfüllt, ist
es für ihn doch zugleich vernehmbares Gotteswort, das ihm in der Schei-
telstunde seines Lebens, wie er im Galaterbrief bekennt, ins Herz ge-
sprochen wurde (1,15 f.).54 Wie je einer aus der Reihe der alttestamentli-
chen Propheten steht auch Paulus in einer Dialogbeziehung zu seinem
Gott, doch mit dem Unterschied, daß ihm nur das eine, dafür aber die
Totalität der Lebens- und Leidensgeschichte Jesu umgreifende Gottes-
wort zugesprochen ist. Was sich davon in seinem Briefwerk nieder-
schlägt, ist wiederum der hermeneutische Reflex, durch den er sich das
ihm Zugesprochene „gesagt sein läßt“, und dies mit der Folge, daß sich
Spuren der transinformativen Sprachqualitäten in seinen Aufzeichnun-
gen nach weisen lassen. Sie betreffen in erster Linie die evidenz- und
kompetenzvermittelnden Elemente der verbalen Rede. In diesen Zu-
sammenhang gehört bereits das „Ich bin gewiß“, zu dem sich der Liebes-
hymnus des Römerbriefs erhebt (8,38), nicht weniger aber auch der
Versuch des Apostels, die von Parteiungen zerrissene Gemeinde von
Korinth zum Bewußtsein einer „Allzugehörigkeit“ zu führen:
Alles gehört euch: Paulus, Apollos, Kephas, Welt, Leben, Tod, Gegenwart und Zu-
kunft; alles gehört euch! Ihr aber gehört Christus und Christus gehört Gott (IKor
3,22).
Vernehmlicher auf den Offenbarungsempfang des Apostels bezogen ist
sein Selbstzeugnis im Philipperbrief:
Nicht daß ich es schon ergriffen hätte oder gar schon vollendet wäre; doch möchte ich
es ergreifen, so wie ich von Christus Jesus ergriffen bin (3,12),
das unüberhörbar auf den zentralen Identifikationssatz des Galater-
briefs - „Ich lebe, doch nicht mehr ich: Christus lebt in mir“ (2,20) -
zurückverweist und von dort zu den drei Fragen weiterführt, mit denen
Paulus die in seinem Ostererlebnis gründende Erweckung zu einem
neuen Selbst- und Sendungsbewußtsein umreißt:
Bin ich nicht frei?
Bin ich nicht Apostel?
Habe ich nicht Jesus, unsern Herrn, gesehen?
(IKor 9,l)55
54 Näheres dazu in meiner Schrift,Paulus - Der letzte Zeuge der Auferstehung1, Regens-
burg 1981, 14-36.
55 Zu dem wiederholt angesprochenen Bekehrungserlebnis des Apostels siehe die Aus-
führungen von Otto Kuss, Paulus, 285ff.