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Biser, Eugen; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1990, 1. Abhandlung): Die Bibel als Medium: zur medienkritischen Schlüsselposition der Theologie; vorgetragen am 27. Januar 1990 — Heidelberg: Winter, 1990

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https://doi.org/10.11588/diglit.48159#0042
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Eugen Biser

Jeremias und Ernst Fuchs, sogar ein in diese Botschaft eingeschmolze-
nes Selbstzeugnis vermutete.75
Wenn die innovatorische Sprachkompetenz Jesu erklärt und als
Grund des nachösterlichen Redens über ihn einsichtig gemacht werden
soll, muß der Redende und auf seine Umwelt dialogisch Entgegnende in
seinem vorgängigen Angerufensein herausgestellt werden. Darauf ver-
weist nicht nur eine Reihe von - keineswegs nur als sekundäre Rekon-
struktion zu wertenden - lebensgeschichtlichen Daten, sondern nicht
zuletzt auch die Entsprechung der „inneren Biographie“ Jesu mit der
Lebensgeschichte des Paulus, die sich geradezu als Interpretament für
jene anbietet. Hier wie dort verhilft ein Zuspruch „von oben“ zur ent-
scheidenden Identitäts- und Sinnfindung; bei Jesus der Anruf der „Him-
melsstimme“ (Mk 1,11; Joh 12,27f.), bei Paulus das Erlebnis des Offen-
barungsempfangs vor Damaskus (Gal 1,15f.; IKor 15,8). Wenn es sich
aber so verhält, genügt es nicht, den von Bultmann zerrissenen Zusam-
menhang des Auferstandenen mit dem historischen Jesus durch eine
„kommunikative Einordnung des Osterwiderfahrnisses in den Prozeß
der kontinuierlichen Versprachlichung des Jesusphänomens“ wieder-
herzustellen (135), wenn sich diese Korrektur nicht mit der ebenso wich-
tigen verbindet, die Bultmanns erklärtes Desinteresse am „Herzen“ und
Selbstbewußtsein Jesu betrifft.76 Nur wenn der Dialog, den Jesus mit der
ihn verstehenden und mißverstehenden, vielfach auch ablehnenden
Umwelt aufnimmt, auf den ihm vorgeordneten zurückbezogen wird, in
dem er mit seinem Gott und Vater steht, läßt sich seine Sprachleistung
bis in jene Äußerungen hinein glaubhaft machen, die ihm schließlich
den Tod und damit den - von Müller eindrucksvoll herausgearbeiteten -
vorzeitigen Abbruch seines Sprachwirkens eintragen (123), darüber hin-
aus aber auch sein nachösterliches Sprechen durch die „Geistsprüche“
der „traditionsschöpferischen Propheten“ (Riesner) bedingen (121).77
Daß diese „kreativen Tradenten“ den durch den Kreuzestod Jesu einge-
tretenen Kommunikationsabbruch nicht nur als Herausforderung zu
75 E. Jüngel, Paulus und Jesus. Eine Untersuchung zur Präzisierung der Frage nach dem
Ursprung der Christologie, Tübingen 1964, 87-215; G. Bäudler, Jesus im Spiegel sei-
ner Gleichnisse. D as erzählerische Lebenswerk Jesu - ein Zugang zum Glauben, Stutt-
gart und München 1986.
76 R. Bultmann, Zur Frage der Christologie, in: Glauben und Verstehen I, Tübingen
1966, 93; 101; Näheres dazu in dem Abschnitt „Hermeneutische Integration. Zur
Frage der Herkunft von Rudolf Bultmanns existentialer Interpretation“ meines Sam-
melbandes ,Glaubensimpulse*, 350-369.
77 Dazu nochmals die in Anm. 9 des Haupttextes gegebenen Hinweise.
 
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