Entartete Kunst
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II Die Eigentumsverhältnisse an Werken
„entarteter Kunst“
1. Das Einziehungsgesetz von 1938 als „gesetzliches Unrecht“ im
Sinne von Radbruch
Der Streit um Klees „Sumpflegende“ ist der aktuelle Anlaß für die
folgenden Betrachtungen, die sich mit den heutigen Eigentumsver-
hältnissen an den Werken der „entarteten Kunst“ befassen12. Es stel-
len sich mehrere Fragen, die zwar eine logisch begründete Rang-
folge haben, die aber alle im Florett der Argumente ihr eigenes
Gewicht erhalten.
Die noch ungeklärte Hauptfrage geht dahin, ob sich das Gesetz
über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst vom 31. Mai
1938 überhaupt für die heutige Beurteilung als Rechtstitel eignet13,
bzw. ob nicht der „entarteten Kunst“ ein „entartetes“ Recht (B.
Rüthers)14 entsprach, das die rechtlichen Eigentumsverhältnisse
nicht verschob, sondern nur faktisch suspendierte.
Zu den Eigentumsfragen enthielt das Gesetz von 1938 in §2 Abs.
1 Satz 1 und 2 eine lapidare Norm:
„Die Einziehung ordnet der Führer und Reichskanzler an. Er
trifft die Verfügung über die in das Eigentum des Reichs über-
gehenden Gegenstände.“15
Die Frage lautet: Kann ein solcher „Eigentumserwerb“ heute Wir-
kungen entfalten? Jen Lissitzky meinte: Nein.
Zur Frage, ob nationalsozialistische Gesetze heute Rechtsfolgen
haben können, hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Ent-
scheidung vom 14.2.1968 folgenden Leitsatz aufgestellt16:
12 Vgl. hierzu Reich/Fischer, oben Note 8; Jayme, „Entartete Kunst“ und Interna-
tionales Privatrecht - Kunstrechtsseminar in Budapest, IPRax 1994, Heft 1,
S. 66f.
13 RGBl. 1938 I, 612. Text im Anhang.
14 Bernd Rüthers, Entartetes Recht - Rechtslehren und Kronjuristen im Dritten
Reich, 2. Aufl. München 1989.
15 Oben Note 13. Satz 3 der Vorschrift lautet: „Er kann die in Satz 1 und 2
bestimmten Befugnisse auf andere Stellen übertragen.“
16 BVerfG, 14.2.1968, BVerfGE 23, 98. Vgl. Makarov, JZ 1968, 559ff.
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II Die Eigentumsverhältnisse an Werken
„entarteter Kunst“
1. Das Einziehungsgesetz von 1938 als „gesetzliches Unrecht“ im
Sinne von Radbruch
Der Streit um Klees „Sumpflegende“ ist der aktuelle Anlaß für die
folgenden Betrachtungen, die sich mit den heutigen Eigentumsver-
hältnissen an den Werken der „entarteten Kunst“ befassen12. Es stel-
len sich mehrere Fragen, die zwar eine logisch begründete Rang-
folge haben, die aber alle im Florett der Argumente ihr eigenes
Gewicht erhalten.
Die noch ungeklärte Hauptfrage geht dahin, ob sich das Gesetz
über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst vom 31. Mai
1938 überhaupt für die heutige Beurteilung als Rechtstitel eignet13,
bzw. ob nicht der „entarteten Kunst“ ein „entartetes“ Recht (B.
Rüthers)14 entsprach, das die rechtlichen Eigentumsverhältnisse
nicht verschob, sondern nur faktisch suspendierte.
Zu den Eigentumsfragen enthielt das Gesetz von 1938 in §2 Abs.
1 Satz 1 und 2 eine lapidare Norm:
„Die Einziehung ordnet der Führer und Reichskanzler an. Er
trifft die Verfügung über die in das Eigentum des Reichs über-
gehenden Gegenstände.“15
Die Frage lautet: Kann ein solcher „Eigentumserwerb“ heute Wir-
kungen entfalten? Jen Lissitzky meinte: Nein.
Zur Frage, ob nationalsozialistische Gesetze heute Rechtsfolgen
haben können, hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Ent-
scheidung vom 14.2.1968 folgenden Leitsatz aufgestellt16:
12 Vgl. hierzu Reich/Fischer, oben Note 8; Jayme, „Entartete Kunst“ und Interna-
tionales Privatrecht - Kunstrechtsseminar in Budapest, IPRax 1994, Heft 1,
S. 66f.
13 RGBl. 1938 I, 612. Text im Anhang.
14 Bernd Rüthers, Entartetes Recht - Rechtslehren und Kronjuristen im Dritten
Reich, 2. Aufl. München 1989.
15 Oben Note 13. Satz 3 der Vorschrift lautet: „Er kann die in Satz 1 und 2
bestimmten Befugnisse auf andere Stellen übertragen.“
16 BVerfG, 14.2.1968, BVerfGE 23, 98. Vgl. Makarov, JZ 1968, 559ff.