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Jayme, Erik; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1994, 1. Abhandlung): "Entartete Kunst" und internationales Privatrecht: vorgetragen am 6. November 1993 — Heidelberg: Winter, 1994

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https://doi.org/10.11588/diglit.48170#0022
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Erik Jayme

Das Schrifttum zu diesen Fragen ist eher spärlich. In einem
jüngst erschienenen Aufsatz lehnen Reich/Fischer eine Rechtswir-
kung des Gesetzes von 1938 ab26. In eine ähnliche Richtung zielt ein
bisher unveröffentlichtes Gutachten des Max-Planck-Instituts für
ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg.27
2. Bürgerliches Recht: Der rechtliche Erwerb und die Verkehrs-
interessen

Nimmt man nun an, daß Maßnahmen aufgrund des nationalsoziali-
stischen Gesetzes über Einziehung von Erzeugnissen entarteter
Kunst die Eigentumslage nicht änderten, so lassen sich allerdings
Argumente gegen die verbliebene Eigentümerstellung der Opfer
solcher Einziehungen aus allen jenen Regeln des Bürgerlichen
Rechts herleiten, die den gutgläubigen Erwerber schützen. Hier
erhalten zugleich die Verkehrsinteressen den Vorrang vor den Rech-
ten des Eigentümers. Hinzu treten Rechtsinstitute, die dem bloßen
Zeitablauf eine Befriedungswirkung geben, wie die Ersitzung und
die Verjährung.28
Die logische Verknüpfung dieser Fragen ist folgende: Wird dem
Eigentümer ein Kunstwerk gegen seinen Willen entzogen, so ist zu
untersuchen, ob ein gutgläubiger Erwerber Eigentum von Nichtbe-
rechtigten erlangen kann. In deutschem Recht ist dies bei abhanden
gekommenen Sachen grundsätzlich nicht möglich (§ 935 Abs. 1
BGB), es sei denn, es handelt sich um Werke, die im Wege öffentli-
cher Versteigerung veräußert wurden (§ 935 Abs. 2 BGB).29 Im italie-

26 Oben Note 8.
27 Gutachen über die Rechtsverhältnisse am Bild von Paul Klee „Die Sumpfle-
gende“ v. 28.2.1992, sowie Gutachten II zu Fragen der Rechtsverhältnisse an
dem Ölgemälde „Sumpflegende“ von Paul Klee: Ergänzung: Verjährung des
Herausgabeanspruchs? v. 25.3.1992.
Der Verf. ist Herrn Prof. Dr. Ulrich Drobnig, Direktor am Max-Planck-Institut für
ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg, für die Einsicht-
nahme in die beiden unveröffentlichten Gutachten sehr zu Dank verpflichtet.
28 Die Verjährung dinglicher Herausgabeansprüche (§985 BGB) in 30 Jahren wird
im deutschen Recht herrschend vertreten; sie ergibt sich indirekt aus § 221
BGB. Vgl. Staudinger-Gursky, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit
Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 12. Aufl. 1989, § 985 Rdz. 52.
29 Gemeint ist hier die bürgerlich-rechtliche Versteigerung nach § 383 BGB (Stau-
dinger-Wiegand, oben Note 28, §935 Rdz. 27). Der § 383 Abs. 3 Satz 1 BGB lautet:
 
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