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Belting, Hans
Abhandlungen der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1970, 1. Abhandlung): Das Illuminierte Buch in der spätbyzantinischen Gesellschaft: vorgelegt am 20. Juni 1970 von Walter Paatz — Heidelberg: Carl Winter Universitätsverlag, 1970

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https://doi.org/10.11588/diglit.73391#0022
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Hans Belting

Er meinte damit die Miniaturen, die auf Einschubblättern in die Handschrift
eingebunden sind. Er hätte darauf wohl kaum hingewiesen, wenn sein Name
bereits mit der Handschrift verbunden gewesen wäre, und genauso wenig
Anlaß dazu gehabt, wenn er nicht bereits einen anderen Namen, den Namen des
Stifters der Handschrift selbst, vorgefunden hätte. Seine Mitteilung an den
Leser hat Seltenheitswert. Die Einbindung von Bildblättern, die außerhalb des
Lagenverbands stehen, war dagegen in unserem Zeitraum keineswegs selten.
Das mahnt zur Vorsicht, als selbstverständlich vorauszusetzen, daß Bilder
und Texte immer dort von vornherein zusammengehörten, wo wir sie heute
zusammen antreffen.
Miniaturen auf Einzelblättern mit leeren Rückseiten wurden meines Wissens
spätbyzantinischen Codices häufiger eingebunden als ihren Vorgängern7.
Das hatte verschiedene Gründe. So ist das Neue Testament im Historischen
Museum zu Moskau, Cod. gr. 407, ein prägnantes Beispiel für den Usus, alte
bildlose Handschriften mit neuem Bildschmuck aufzuwerten8. Seine sechs-
undzwanzig ganzseitigen Miniaturen, die zu den großen künstlerischen Lei-
stungen der paläologischen Buchmalerei zählen, wurden wohl um die Mitte
des 14. Jahrhunderts einer älteren Handschrift auf freien Seiten oder einge-
schobenen Blättern hinzugefügt; die zeitliche Differenz zwischen Text und
Miniaturen wurde erst offenkundig, als sich die Datierung der Schrift in das
12. Jahrhundert nicht mehr mit jener der Bilder vereinbaren ließ9.
Die materielle Trennung von Text und Bildern wird aber keineswegs, wie
in diesem Codex oder den Evangelien von Chilandar, immer durch einen zeit-
lichen Unterschied zwischen beiden erklärt. Im Gegenteil, meist ist an der
gleichzeitigen Entstehung beider gar nicht zu zweifeln. In den besten Codices
aus unserem Zeitraum war diese materielle Trennung offenbar nahezu die
Regel. In einer Luxusausgabe der Evangelien aus dem Besitz Carlottas von

7 Außer den im folgenden genannten Beispielen seien hier nur wenige wichtige Bilderhand-
schriften aufgeführt: die Evangelien Paris, Gr. 117 aus d.J. 1262 (vgl. unten Anm. 179); Sinai,
Cod. Gr. 152, eine Stiftung des Isaak Asanes Palaiologos aus d.J. 1346 (vgl. Anm. 197); Ve-
nedig, Cod. Gr. 541 (vgl. Anm. 25); das reich bebilderte Tetraevangeliar aus der Phillipps
Collection (jetzt Sammlung H. Kraus, New York) sowohl im ersten wie im zweiten Zustand
(dazu Buchthal, op. cit. wie Anm. 176); der Hippokrates des Alexios Apokaukos in Paris,
Cod. Gr. 2144 (vgl. Anm. 200); das Geschichtswerk des Pachymeres in München, Cod. Gr.
442 (vgl. Anm. 81) und der Cod. Garrett 2 (olim Andreaskiti 753) in der Univ. Library zu Prin-
ceton (vgl. Anm. 211). Eine systematische Untersuchung steht noch aus.

8 M. V. Alpatoff, A Byzantine Illuminated MS of the Palaeologan Epoch in Moscow, in Art
Bull. 12, 1930, 207-218 und Lasareff, op. cit. (wie Anm. 4) 371 und 416 Anm. 75. Vgl. auch
Anm. 238. Leider ist das Manuskript immer noch nicht mit allen Miniaturen publiziert. Zum
Text und seiner Datierung vgl. K. Treu, Die griechischen Handschriften des Neuen Testaments
in der UdSSR (TU 91, Berlin 1966) 258ff. mit Lit.

9 Alpatoff, op. cit. (wie Anm. 8) 207.
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